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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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gebührender Rücksicht auf den Sohn des Familienoberhaupts hielt. Er bestand darauf, uns mittags zu einem Steak ins Cronin’s einzuladen. Mutter würde mir das Fleisch kleinschneiden.
    Meine Mutter und George richteten mir danach das Bett, eine Sache, die ich allein kaum hätte schaffen können. Sobald sie gegangen waren, fiel ich auf mein Lager und schlief, bis ich Stimmen im Wohnzimmer hörte. Ich stand auf und sah Henry und Archie, Henry umklammerte mit beiden Händen einen großen Chrysanthementopf.
    Ein Einfall meiner Mutter, erklärte er, sie hat zweimal angerufen, damit ich den Blumentopf auch ja nicht vergesse.
    Als George etwas später nachkam, gingen wir alle zusammen in den Speisesaal und blieben lange am Tisch sitzen, zuerst erzählte Archie vom Carioca-Highlife und den Polo-Ponys auf der Hazienda von Marios Eltern, und dann schilderte George unsere Fahrt auf der Route 1 nach Baja California, die für ihn der Höhepunkt unserer Reise war. Als das Gespräch auf die Bar Sonny Boy kam, lenkte ich ab und fragte Henry, der nichts von seinem Sommer erzählt hatte, ob Grenoble seine Erwartungen erfüllt habe. Nicht nur das, sondern weit übertroffen, sagte er, die beste Idee, die ich je hatte.
    Eigentlich will er, daß du ihn nach Margot und Etienne fragst, mischte sich Archie ein. Georges Gesicht wurde finster. Auch wenn er behauptete, Margot aufgegeben zu haben, war ihm Etienne nach wie vor ein Dorn im Auge.
    Da gibt’s nicht viel zu erzählen, antwortete Henry, er fährt auf Bergstraßen zu schnell, und sie behauptet, sie hätte keine Angst. Warum nicht, ist mir ein Rätsel. Etienne hat mich einmal in eine vielleicht zwanzig Kilometer entfernte Stadt gefahren, damit ich mir ein Farbband für meine Schreibmaschine kaufen konnte, und als ich wiederkam, war mir speiübel. Dabei bin ich noch nie seekrank geworden, nicht mal bei Sturm. Das Château ist phantastisch, und die Eltern sind sehr kultiviert. Warum Etienne den wilden Mann spielt, verstehe ich auch nicht.
    Wir verabschiedeten uns auf den Stufen vor meiner Tür. George ging weiter zu seinem Haus. Zu meiner Überraschung machte sich Henry nicht mit Archie zusammen auf den Weg zu ihrem Wohnheim, sondern fragte, ob er noch einen Moment hereinkommen könne.
    Ich hatte mich schon daran gewöhnt, daß meine Umgebung mir bei dem Anblick, den ich bot, Privilegien einräumte, und erwähnte deshalb, ich könne höchstens noch fünfzehn Minuten durchhalten.
    Keine Sorge, ich bin gleich wieder weg, sagte er. Ich wollte dir nur schnell sagen, erstens, wie froh ich bin, daß es dir wieder einigermaßen gutgeht, und zweitens noch etwas, das dir vielleicht seltsam vorkommen wird: Ich denke, du solltest dich glücklich schätzen. Ich beneide dich.
    Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich verstand, was er sagen wollte, also gab ich zurück: Wenn er meine, ich hätte Glück gehabt, daß ich noch am Leben sei und nicht ein Auge oder andere wichtige Organe eingebüßt hätte, dann habe er vollkommen recht.
    Das auch, sagte er, aber eigentlich wollte ich etwas anderes sagen. Du hast es wirklich am eigenen Leib erfahren, das Äußerste an brutaler Gewalt. Du weißt, wie es ist, zusammengeschlagen zu werden, und du weißt, du kannst es aushalten. Du hast es überlebt, und mit diesem Wissen kannst du weitermachen. Ich kann nur darüber spekulieren, wie ich es überstanden hätte. Ich beneide dich.
    Du spinnst, sagte ich. Willst du auch wissen, wie es sich anfühlt, von einem Laster überfahren zu werden?
    Nein, lachte er. Aber du hast recht. Ich spinne.

XIII
    Als wir in der leeren Weite des Mittelwestens angekommen waren, hatten wir stundenlang geschwiegen; George fuhr, und ich war in Gedanken bei den Ereignissen der letzten Monate. Etwas, das ich vor dem Sommer getan hatte, machte mir Kopfzerbrechen: Wäre es nicht besser – oder jedenfalls eleganter – gewesen, die Suite im Haus am Fluß, die man mir angeboten hatte, abzulehnen und mit Henry und Archie in das Exil an der Mount Auburn Street zu ziehen? George Standish an meiner Stelle hätte es vermutlich so gemacht. Natürlich hatte er nie ein Wort des Tadels oder der Kritik zu mir gesagt, obwohl er die ganze Geschichte kannte, samt meiner Entscheidung, allein zu wohnen, die ich ungefähr zu der Zeit getroffen hatte, als die Bewerbungen um einen Platz im Haus eingereicht werden mußten; aber sein Schweigen war nicht notwendig mit Billigung gleichzusetzen. Er hatte mir auch nie bestätigt, daß ich das Richtige getan hatte.

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