Ehrensachen
Antoine’s gelesen und uns die Angaben über New Orleans in unserem Reiseführer angesehen. Es schien klar zu sein, daß die sagenumwobenen Freuden von New Orleans die Extravaganz rechtfertigten. Wir wollten im Antoine’s und im Brennan’s dinieren und die besten Jazzkeller in der Bourbon Street finden.
Ein Stück hinter Shreveport machte George einen neuen Vorschlag. Wenn wir uns in der Toulouse Street eingerichtet hätten, könnten wir ein paar Mädchen abschleppen und mit nach Hause nehmen, denn außer der Putzfrau, die tagsüber kam, würde weder eine Concierge noch sonst jemand beobachten, wer in der Wohnung ein und aus ging. Nicht gleich in der ersten Nacht, aber vielleicht nach dem Essen bei Antoine’s. Diese Aussicht beunruhigte mich, aber ich wollte kein Spielverderber sein.
Zur Wohnung kam man über einen gepflasterten Innenhof, an dessen Mauern überall Kübel mit tropischen Pflanzen standen. May hatte nicht übertrieben. Alles in der Wohnung war üppig und angenehm: die Himmelbetten, die überdimensionale Badewanne, die weichen Ledersofas und Sessel im Wohnzimmer. Neben dem Telefonbuch lag ein in Leder gebundener Band mit dem Titel Informationen für unsere Gäste in der Toulouse Street . George blätterte ihn durch und hoffte, einen Tip zu finden, wo man nach Mädchen Ausschau halten konnte. Entweder gab es diesen Tip nicht, oder er war zu verdeckt. Wir fanden aber einen anderen wichtigen Hinweis: Um einen guten Tisch bei Antoine’s zu bekommen und aufmerksam bedient zu werden, solle man sich an Michel wenden, einen Kellner, der auf geheimnisvolle Weise mit Mr. Trowbridge verbunden war. George rief sofort an und reservierte einen Tisch für den folgendenAbend. Am nächsten Tag fuhren wir mit einem Boot in die Bayous, überwiegend damit beschäftigt, die Mücken abzuwehren, und kamen zu spät zu Antoine’s. Es schien nichts auszumachen. Michel empfing uns wie Berühmtheiten, die inkognito reisten, ihm aber wohlbekannt waren, und wir aßen uns durch eine Speisenfolge von Langusten, Fisch aus dem Golf und Garnelen. Als George um die Rechnung bat, stellte sich heraus, daß wir Mr. Trowbridges Gäste waren. Er hatte auch strikte Anweisungen hinterlassen, uns einen Schluck von dem Kognak anzubieten, den er in seinem privaten Schließfach aufbewahrte. Wir tranken mehr als einen Schluck. Die Schwenker faßten viel, und Michel füllte sie großzügig.
Henry müßte jetzt im Château van Damme sein, sagte George.
Ich sagte, das sei richtig. Der Sprachkurs in Grenoble endete Anfang August. Bestimmt ziemlich edel dort, nehme ich an, bemerkte George. Die Eltern sagen, niemand ißt so gut wie die Belgier. Trotzdem: es würde mich wundern, wenn er besser äße als wir hier.
Ich nickte. Ich war überzeugt, daß ich gerade die beste Mahlzeit meines Lebens verzehrt hatte.
Die Sache mit Margot geht mir immer noch nach, fuhr er fort. Warum schläft sie mit diesem Belgier? Was hat er mir voraus? Oder Henry? Oder dir? Warum hat sie mir so übelgenommen, daß ich etwas zu weit gegangen bin? Sie hat es weiß Gott provoziert.
Ich sei kein Kandidat, sagte ich, und von van Damme habe sie sich vermutlich blenden lassen. Er ist älter, fährt ein schnelles Auto, und er hat das Château der Familie zu bieten.
Wir tranken den letzten Schluck Kognak und gingen in die Nacht hinaus. In Mr. Trowbridges Buch standen empfehlenswerte Adressen in der Bourbon Street. Wir probierten sie alle aus. Die Musik war nicht besser als das, was man meistens in der Bostoner Tremont Street hören konnte, vielleicht nicht einmal genauso gut. Wir tranken jedesmal einen Scotch mit viel Soda und gingen weiter.
Ich bin diese Schuppen leid, sagte George.
Amen! Komm, wir gehen nach Hause, gab ich zur Antwort.
George schüttelte den Kopf. Das Reden über Margot hatte ihn scharfgemacht. Wir müssen noch irgendwas unternehmen.
Fragte sich nur, wo. Nach meiner Vorstellung hätten aufreizend angezogene Frauen an Laternenpfosten lehnen oder Täschchen schwingend die Straße entlangschlendern müssen. Sich an uns heranmachen und in schleppend gedehntem Südstaaten-Tonfall fragen sollen, na Süßer, wie wär’s mit uns? Aber kein Strichmädchen und kein Lude, weder weiß noch schwarz, sprachen uns an. Weit und breit sah man nur lärmende Männer in Gruppen vor Bars, Paare, die Arm in Arm oder Hand in Hand spazierengingen, und einsame Gestalten in Eile. Buchhalter auf dem Heimweg nach einem langen Tag, dachte ich.
Ich erklärte George, daß man in New
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