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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Präsidenten der Vereinigten Staaten und zuletzt hörte ich die Stimme von George, der mir erzählte, ich sei auf dem Weg der Besserung und solle mir keine Sorgen machen. Ich versuchte, mich zu ihm umzudrehen, konnte es aber nicht, statt dessen schwamm sein Gesicht in mein Sehfeld. Aus irgendeinem Grund war es hinter einem dichten Schleier verborgen. Dann wieder Georges Stimme, die mir erzählte, ich sei in ein Zimmer der Normalstation verlegt worden und werde dort bleiben, bises mir besserging. Ich versuchte, etwas zu sagen, aber aus meinem Mund kam nur ein Gurgeln.
    Du hast einen Schlauch in der Nase, erklärte mir George. Der Arzt meint, du kannst trotzdem sprechen, mußt dich aber erst daran gewöhnen. Dann sagte er: Du hast mir das Leben gerettet, du alter Affe. Du hast mir verflucht noch mal das Leben gerettet.
    Ich muß fast sofort wieder eingeschlafen sein, aber als ich aufwachte, war er da. Es ist die Privatstation, erklärte er, und deshalb werde er meistens bei mir sein können. Unsere Mütter seien auf dem Weg. Irgendwann erzählte er mir von der Schlägerei. Ein Glück, daß du den Kerl in das Schaufenster geworfen hast, sagte er. Als das Glas zerbrach, ging die Alarmanlage in dem Gebäude an. Die Sirenen bremsten die Typen, und dann war auf einmal überall Polizei.
    Ein paar Tage später gab der Chirurg in Gegenwart von meiner Mutter, Cousine May und George Auskunft über meinen Zustand. Ich hätte eine gebrochene Nase, die er gerichtet habe, und einen gebrochenen Kiefer, den er mit Draht habe fixieren müssen. Ich hätte drei Schneidezähne verloren. Darum würde sich der Zahnarzt kümmern, er werde mir eine Brücke einsetzen; und Nase und Kiefer kämen in Ordnung, sobald die Schwellung abgeklungen sei und die Hämatome sich aufgelöst hätten. Zum Glück hätten sie einen Schönheitschirurgen zur Hand, der arbeite an meinem Gesicht. Das sei der einfache Teil der Aufgabe. Problematischer seien die schweren inneren Blutungen gewesen. Er habe mir die Milz entfernen müssen. Alles in allem könne ich von Glück sagen, daß ich noch am Leben sei, meinte er. Die Polizei und die Ambulanz seien gerade noch rechtzeitig gekommen. In ein paar Wochen würde ich so gut wie neu sein. Als ich das hörte, fragte ich, wann ich wieder aufs College gehen könne. Ob das Herbstsemester ganz ausgeschlossen sei? Er kicherte und sagte: Patienten haben zu dulden und Geduld zu haben;darüber würden wir uns unterhalten, wenn ich gesund genug sei, die Klinik zu verlassen. Dann wurde er ernst und meinte, ich solle damit rechnen, daß ich frühestens in zwei bis drei Wochen nach Boston fliegen könne. Danach könne mich dann ein Chirurg in Pittsfield oder Boston untersuchen, und dann stehe es mir frei, mein Studium wieder aufzunehmen, sobald ich es mir zutraute.
    George blieb bis zu meiner Entlassung bei mir in New Orleans, und er bestand darauf, mich nach Hause zu bringen, gegen den Protest seiner und meiner Mutter, die beide diese Aufgabe für ihre Pflicht hielten – eine Pflicht, die sich durch meine neue Heldenrolle in eine Art Privileg verwandelt hatte. Am Ende verpaßte George nur das vorgezogene Mannschaftstraining, war aber rechtzeitig zu Vorlesungsbeginn wieder in Cambridge. Ich kam erst später, da ich vorher noch eine zweite chirurgische Untersuchung im Krankenhaus in Pittsfield abwarten mußte. Schließlich brachten meine Eltern mich gut zwei Wochen nach der Einschreibung fürs Semester zum College, mein Vater kam mit, um mir meine kümmerliche Habe vom Auto in meine Wohnung zu tragen. Man hätte meinen können, das sei nicht zuviel verlangt, besonders, da meine Wohnung im Erdgeschoß lag und direkt von der Straße aus zu erreichen war, ohne den Umweg über die Portiersloge und den Innenhof. Aber trotzdem paßte die Fahrt meinem Vater nicht. Er arbeitete nicht gern in der Bank, aber Urlaub fiel ihm noch schwerer, und er fand alles abscheulich, was nach Familienpflichten roch. Seine Stimmung hob sich jedoch, als er sah, daß George auf dem Gehsteig wartete, um mir beim Einzug zu helfen. Hier war wieder ein lebender Beweis für meinen neuen Status. Da ich wußte, daß meine Eltern beide, wenn auch aus unterschiedlichen persönlichen Gründen, darauf brannten, nach Lenox zurückzufahren, drängte ich sie, sofort aufzubrechen. Aber gerade Georges Gegenwart, diemeinen Vater von seiner Pflicht befreite, führte dazu, daß er eine schnelle Abreise für unvereinbar mit seiner Auffassung von Anstand und guten Sitten und

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