Ehrenwort
erspart.«
»Es gibt weltweit genug Kriege«, wandte Max ein. »Der Bruder einer früheren Mitschülerin ist in Afghanistan stationiert...«
Als Petra heimkam, roch sie bereits an der Haustür die Zigarrenschwaden und fand sowohl ihren Schwiegervater als auch ihren Sohn in betrunkenem Zustand vor, Haralds Cognacflasche war bis auf den letzten Tropfen leer.
»Lass dich begrüßen, du Holde! Doch was erspähen meine trüben Augen? Die Leidensmiene einer schönen Frau! Sei lieber lustig, carpe diem!«, rief der Alte und schwenkte sein Glas in der einen Hand, die Krücke in der anderen. Aus Ungeschicklichkeit und Übermut traf er die Nachttischlampe, die polternd herunterfiel und zu Bruch ging. Max krümmte sich vor Lachen.
So konnte es endgültig nicht weitergehen, dachte Petra, ihr Sohn geriet nicht etwa durch drogensüchtige Altersgenossen unter die Räder, sondern wurde vom eigenen Großvater auf die schiefe Bahn gebracht.
»Was ist hier los?«, fragte sie streng.
»Wir üben schon mal Geburtstag«, sagte Max. »Wir werden demnächst hundertelf, das ist eine Schnapszahl!«
»Schnaps ist gut für Cholera!«, krähte der Alte, und Petra stürzte hinaus, nicht ohne die Tür zuzuknallen.
Obwohl sie es nie von zu Hause aus tat, rief sie auf der Stelle ihren Lover an. Dort meldete sich eine Frau.
Geistesgegenwärtig sagte Petra: »Buchhandlung Knobel, guten Tag. Ihre Bestellung ...«, wurde aber sofort abgeschmettert.
»Wir haben gerade Gäste«, sagte die Frau am anderen Ende der Leitung. »Es passt jetzt schlecht. Mein Mann ruft Sie morgen zurück.«
Petra starrte den Hörer an. Wieso sprach die Ex von meinem Mann, wo sie doch seit einem Jahr geschieden waren? Und warum hatten sie gemeinsame Gäste in seiner Wohnung? In ihrer Verzweiflung versuchte es Petra bei ihrer Tochter.
»Mizzi«, begann sie, »du kannst dir nicht vorstellen, was sich bei uns abspielt! Max und Opa sind außer Rand und Band, sturzbetrunken, das Haus ist total verräuchert, ich weiß nicht mehr ein noch aus ...«
»Mama, du solltest froh sein, wenn Max endlich auftaut. Als Psychologin mache ich mir große Sorgen um ihn. Vielleicht holt er die fällige Rebellion mit Verspätung nach, in der Pubertät war er viel zu angepasst. Soll er doch saufen, was das Zeug hält, vielleicht führt es zu einer Metamorphose!«
»Wie bitte?«
»Die kleine Raupe wird hoffentlich noch ein Schmetterling! Mensch, Mama, er hat keine Freunde, von Mädchen ganz zu schweigen! Er hat keine Zukunftspläne, traut sich gar nichts zu und hängt bloß im Kino oder vorm PC rum. Ist doch okay, wenn er sich wenigstens um Opa kümmert. Und wenn die beiden jetzt mal auf die Pauke hauen, dann ist das richtig gut...«
»Du siehst das falsch. Max schleppt Opas Pflegerinnen ab, der Junge ist überhaupt nicht so brav, wie du dir einbildest.«
»Umso besser. Ciao, Mama!« Mizzi hatte aufgelegt.
»Klugscheißerin«, murmelte Petra.
Wenn man vom Teufel spricht, dachte sie, als kurz darauf die Haustür aufging und Jenny und Harald gleichzeitig eintraten. Die beiden waren mitten im Gespräch, und ihr Mann zeigte sich seit langem wieder etwas lockerer. Dieses blonde Mädchen mit der heiteren Unschuldsmiene war in Wirklichkeit eine Natter, die sich in ihr Haus eingeschlichen und drei Generationen vergiftet hatte. Aber nur die Männer, dachte Petra, ich gehe ihr bestimmt nicht auf den Leim. Ihre geballte Aggression richtete sich nun gegen die junge Frau.
»Das ganze Haus stinkt!«, rief sie statt einer Begrüßung. »Und daran sind Sie schuld! Wie kann man als ausgebildete Pflegerin einen unvernünftigen alten Mann mit Zigarren versorgen! Ich werde veranlassen, dass Sie unverzüglich ersetzt werden.«
Jenny wandte sich hilfesuchend an Harald.
»Ihr Vater weiß selbst ganz gut, was er vertragen kann. Ein bisschen Lebensfreude ist die beste Medizin für unsere Senioren.«
Harald verzog sich kommentarlos in sein Arbeitszimmer, während Jenny hinaufhuschte.
Petra fühlte sich gedemütigt, aber es kam noch schlimmer. Kaum hatte sie die Schuhe abgestreift und war auf das Sofa gesunken, da klingelte das Telefon. Sie sprang wieder auf, weil sie sich fast sicher war, dass es ihr Liebhaber sein musste. Stattdessen meldete sich eine fremde, hohl klingende Stimme.
»Frau Knobel? Wenn Sie Ihren Mann nicht davon abbringen, unser Städtchen durch eine falsch konzipierte Tiefgarage zu verhunzen, dann werden wir Ihrer gesamten Familie einen furchtbaren Denkzettel
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