Ehrenwort
größte Dummheit seines Lebens begangen hatte, aber er wollte andererseits nicht als totaler Trottel dastehen. Damals hatte er sich breitschlagen lassen, Falko einen Gefallen zu tun.
Der Schrebergarten lag etwas außerhalb eines Heidelberger Vororts. Neben der Hütte befand sich direkt unter der Regenrinne ein blaues Plastikfass der BASF, das Max beiseiterollen sollte. Die Tonne stand auf ausrangierten Fliesen, von denen eine nur lose auflag, und genau darunter war der Schatz vergraben. Anfangs machte Max die Sache Spaß, er kam sich vor wie der Held einer Abenteuergeschichte. Das Problem war eigentlich nur, den bewussten Garten zu finden. Max kurvte ziemlich lange auf verbotenen Wegen herum und wäre mit seinem Wagen fast an einem ungesicherten Hang abgerutscht, ehe er die Schilder Nur für Kleingärtner und Schuttabladen verboten entdeckte.
Die Kassette war leicht angerostet und mit Paketband fest umwickelt. Sie enthielt angeblich Schmuck von Falkos verstorbener Großmutter, den Max bei einem gewissen Bobo im Pfaffengrund abliefern sollte. Bobo würde den Schmuck verkaufen und Kevin mit dem Geld eine Englandreise bezahlen. Diese eiserne Reserve hatte Falko nicht zu Hause aufbewahrt, weil seine frühere Frau alles vertrank.
Irgendwann, als Max wieder im Auto saß, fing er an zu grübeln. Warum holte dieser Bobo das Kästchen eigentlich nicht selbst ab; war da nicht etwas faul an Falkos Geschichte? Max nahm die Kassette erst einmal mit nach Hause. Um sie zu öffnen, musste er Werkzeuge seines Vaters zu Hilfe nehmen.
Von großmütterlichem Schmuck konnte nicht die Rede sein. Zwischen einer Schicht Luftpolsterfolie steckten zahlreiche Herrenarmbanduhren, zum großen Teil noch mit Preisschildern - offenbar die Beute eines Einbruchs. Max war empört, weil Falko ihn so dreist belogen hatte.
Was sollte er nun machen? Auf keinen Fall wollte er Falko verpfeifen, denn dann würde der Halunke noch länger im Knast sitzen müssen und Kevin bliebe weiterhin allein. Andererseits wollte Max auch nicht zum Komplizen eines Einbrechers werden, und außerdem müssten die noblen Uhren ihrem rechtmäßigen Besitzer wieder zugeführt werden. Was Recht ist, muss Recht bleiben - dieser Spruch seines Großvaters dröhnte ihm damals noch in den Ohren.
Es war ein Fehler, dass Max die Uhren unverzüglich auf einer Polizeiwache abgab und behauptete, er habe die Kassette zufällig in einer zugescharrten Grube entdeckt. Er sollte den Fundort genau beschreiben und skizzierte notgedrungen die ungefähre Lage eines Mammutbaums im Weinheimer Exotenwald. Seine Aussage wurde zu Protokoll genommen.
Als Falko anrief, konfrontierte Max ihn mit der Wahrheit, ohne groß über die Folgen nachzudenken. Falko blieb eine ganze Weile stumm und schien nachzudenken, dann musste Max schwören, dass er weder den Ort noch den Auftraggeber verraten habe. Schließlich legte Kevins Vater wortlos auf. Max ahnte nichts Gutes.
Nie im Leben würde er vergessen, wie ihn kurz darauf ein Unbekannter vor dem Elternhaus abfing, in einen unbeleuchteten Seitenweg zerrte und dort erbarmungslos auf ihn einschlug. Max ging blutend in die Knie, fiel zu Boden, blieb liegen, wurde noch einmal kräftig in die Seite getreten, konnte aber nach einiger Zeit mühsam aufstehen und nach Hause hinken, wo er sich durch die Garage hineinschlich. Seine Eltern hatten von alledem nichts mitbekommen.
Später fragte ihn Falko, ob er Pits Lektion kapiert habe. Dieser Freund war ein berüchtigter Schläger und im Milieu unter Pit Bull bekannt. »Wenn du singst, bist du morgen tot« - eine Warnung, die Max ernst nahm. Und wenn er nicht zahle, bis der Wert der Armbanduhren in etwa ausgeglichen war, werde Pit ihn mit einer Eisenstange bearbeiten. Er solle sich schon mal nach einem guten Zahnarzt umsehen.
Seit Falkos Entlassung waren jeden Monat 400 Euro fällig, und zwar auf die Dauer von drei Jahren. Ohne das Geld seines Großvaters hätte Max längst eine Zahnprothese. Pecunia non olet, hatte der Alte gern zitiert und dabei nicht geahnt, welchem Zweck seine Zuwendungen dienten.
Kurze Zeit nachdem ihn Pit Bull verprügelt hatte, beendete Max den Zivildienst und verlor Kevin aus den Augen. Vor kurzem war er ihm in der Heidelberger Fußgängerzone wiederbegegnet und hätte ihn kaum erkannt, da der früher so unscheinbare Junge weiße Schuhe trug, die Haare gegelt und sich im Sonnenstudio eine unnatürliche Bräune zugelegt hatte. Ohne Gruß gingen sie aneinander vorbei. Beide schienen sich zu
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