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Ehrenwort

Titel: Ehrenwort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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verpassen.«
    »Verhunzen? Eine Tiefgarage sieht man doch gar nicht...«, stotterte Petra. »Wer sind Sie überhaupt?«
    »Sie werden den Tag noch verfluchen, an dem Sie uns persönlich kennenlernen.«
    »Mein Mann hat überhaupt nicht darüber zu entscheiden, solche Projekte beschließt der Gemeinderat.«
    »Aber sicher doch! Und die Ausschreibung war öffentlich, und alles ist mit rechten Dingen zugegangen. Dass ich nicht lache!«
    Der Fremde legte auf. Petra blieb nichts anderes übrig, sie suchte ihren Mann. Sein Zimmer war mit in die Jahre gekommenen Möbeln ausgestattet, von denen er sich nicht trennen mochte. Der Ledersessel mit dem britischen Touch war auf der Sitzfläche abgewetzt, die Farbe in den Knitterfalten verblichen. Das String-Regal aus echtem Teakholz war einmal teuer gewesen, jetzt wirkte es nur noch spießig. Selbst der vier Jahre alte PC war laut Mizzi ein Fossil.
    Harald lag mit der Zeitung auf der Couch. Er blieb einigermaßen gelassen, ließ sich den genauen Wortlaut von Petra wiederholen, setzte sich und schrieb alles auf. Dann rief er seinen Freund Ronald Melf von der Kriminalpolizei an.
    »Er hat im Plural geredet, es ist also keine Einzelperson, sondern eine ganze Bande«, überlegte Petra und wurde leicht hysterisch. »Mein Gott, was mögen das für Leute sein!«
    »Ein Spinner«, sagte Harald. »Du solltest das nicht so ernst nehmen.«
    »Kann man den Bau der Tiefgarage nicht einfach zurückstellen?«, fragte Petra.
    Harald schüttelte den Kopf. »Wie stellst du dir das vor, wir haben bereits mit dem Ausschachten begonnen! Jürgen hat zusätzliche Leute eingestellt, es ist schließlich der erste Großauftrag für seine Firma.«
    Er sprang auf und schritt unruhig zwischen Bücherwand und Ledersessel auf und ab.
    »Außerdem ist es ein Gewinn für die Innenstadt. Die Geschäfte bluten allmählich aus, weil es kaum Parkplätze gibt, die Leute fahren ins Rhein-Neckar-Zentrum zum Einkaufen. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wer durch die Tiefgarage einen Schaden erleiden soll. Und außerdem: Erpressen lasse ich mich nicht. Jürgen sollte aber für alle Fälle Bescheid wissen.«
    Schließlich nahm er nervös eine Flasche Aquavit aus dem String-Regal und betrachtete sie stirnrunzelnd.
    »Wo ist eigentlich mein Cognac geblieben?« Petra wusste es zwar, hielt aber dieses Problem im Moment für zweitrangig. Sie bestand darauf, dass man Max und vielleicht sogar Mizzi einweihen und warnen sollte.

    Max verabredete sich gerade mit Jenny. Alles wie gehabt: Pizza, Kino und so weiter - hoffentlich. Als seine Mutter nach ihm rief, stellte er sich taub. Nur wenn der Alte auf der Toilette saß, hatte er ein wenig Zeit, um mit Jenny zu rauchen und zu tuscheln.
    »In Opas Zimmer wohnte früher meine Schwester«, erzählte er. »Aber sie kommt nur noch selten aus Berlin hierher.«
    Beim Stichwort Berlin wurde Jenny ganz hibbelig. Berlin sei ihr Traum, behauptete sie, noch nie habe sie es dorthin geschafft. Max sei sicherlich schon hundertmal dort gewesen.
    »Ein einziges Mal mit meiner Klasse«, sagte Max und musste aufstoßen. »Meine Schwester hat mich schon häufig eingeladen, aber was soll ich dort?«
    »Oh, du bist aber komisch!«, fand Jenny. »Den Reichstag sieht man doch ganz oft im Fernsehen oder diese kaputte Kirche und die Pferdchen auf dem Tor. Hotel Adlon, Madame Tussauds, Checkpoint Charlie...«
    »... und die Siegessäule und der übrige beschissene Touristenkram«, sagte Max. »Wenn du so versessen darauf bist, warum fährst du nicht einfach hin?«
    »Das ist eine Geldfrage; ein Hotel kann ich mir nicht leisten.«
    Max meinte, dass Jenny bestimmt ein paar Tage bei Mizzi wohnen könnte. Unter diesen erfreulichen Umständen würde er sogar mitkommen. Jenny fiel ihm um den Hals. Sie wollte bereits am nächsten Tag mit ihrer Chefin sprechen, wann ihr ein verlängertes Wochenende zustände.
    »Ob man meinen Großvater mal allein lassen kann?«, fragte Max, aber Jenny beruhigte ihn. Ihre Kolleginnen würden ja kommen, und inzwischen sei der Alte wieder ganz gut bei Kräften.
    »Riecht man eigentlich, dass ich mit Opa Cognac getrunken habe?«, fragte er.
    Jenny lachte nur.
    In Hochstimmung begab sich Max schließlich zu seinen Eltern.»Ich esse heute nicht mit«, sagte er.
    »Das trifft sich gut, denn ich koche heute nicht«, sagte seine Mutter giftig.
    »Wer sich so volllaufen lässt wie du, dem verschlägt es bekanntlich den Appetit«, sagte sein Vater und schnüffelte angewidert.
    Dann

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