Ehrenwort
Und es gibt natürlich auch alte Leute, die bösartig sind, geizig, undankbar, ewig unzufrieden und misstrauisch. In dieser Hinsicht ist dein Großvater ein Juwel! Ich habe nie gehört, dass er herumstöhnt, wie beschissen heute alles ist und wie viel besser es früher war...«
»Doch, das tut er manchmal, vor allem vor dem Fernseher«, widersprach Max. »Aber es stört mich nicht weiter. Das ist halt so seine Art.«
Dieses Gespräch kam Max wieder in den Sinn, als er über Jenny nachdachte. War Jenny wirklich nur cool gewesen, als sie rauchend vor dem Polo stand und auf ihn wartete? Oder vielmehr kaltherzig?
Er hatte sich in sie verliebt, weil sie frisch, fröhlich und frei war. Dann wurde sie zur Geheimnisvollen, in deren Vergangenheit es dunkle Flecken gab. Doch in welche merkwürdigen Verstrickungen war er jetzt erst hineingeraten?
Hätte er sich doch nie mit Falko eingelassen oder ihn sofort hochgehen lassen, statt monatelang zu blechen. Und seinem Opa hätte er auf keinen Fall die Pistole bringen dürfen. Doch für Reue war es zu spät. Er konnte nur hoffen, dass Falko seinen Denkzettel weghatte und ihn endgültig in Ruhe ließ. Es konnte allerdings auch sein, dass alles noch schlimmer wurde. Wenn Falko nämlich etwas von dem Verbrechen im Hause Knobel ahnte, konnte er Max umso leichter erpressen.
Petra war begreiflicherweise schlechter Laune, als sie an diesem Montag ohne angenehme Mittagspause von der Arbeit zurückkam. Aber sie hatte sich fest vorgenommen, es nicht an ihrer Familie auszulassen. Im Gegenteil, sie wollte heute besonders gut kochen und ausnahmsweise dem Alten etwas übrig lassen. Gefüllte Paprikaschoten mit Reis, wie sie ihre Schwiegermutter früher im Programm hatte, das würde Harald sicherlich freuen. Mit ihrem Mann kam sie schon klar, aber aus ihrem Sohn wurde sie in letzter Zeit nicht schlau; gelegentlich schien er auf Wolken zu schweben, dann wieder war er bedrückt und geistesabwesend. Vielleicht war es schon wieder vorbei mit der Liebschaft ihres Sohnes? Sie beschloss, Mizzi anzurufen und auszuhorchen.
»Was hattest du eigentlich für einen Eindruck von Max?«, fragte Petra rundheraus. »Er ist und bleibt unser Sorgenkind!«
»Ich dachte immer, das wäre ich«, meinte Mizzi. »Schließlich werde ich euch wohl nie einen Säugling präsentieren. Bei Max habt ihr bessere Chancen, denn Frauen in pflegenden Berufen sind ja meistens scharf auf Babys.« Mizzi hätte sich beinahe verplappert.
Petra stutzte. »Hat er denn eine feste Freundin? Uns sagt er ja nichts!«
»Frag ihn lieber selbst. Aber wenn er wirklich Altenpfleger wird, dann ist er umgeben von lauter weiblichen Wesen mit Muttertrieb. Die allerbesten Voraussetzungen!«
Mehr war aus Mizzi nicht herauszukriegen, aber bei Petra war der Groschen gefallen. Pflegende Berufe? Es musste wirklich Jenny gewesen sein, deren Stimme sie neulich mitten in der Nacht gehört hatte. Klar, dass die beiden das nicht gerade ausposaunen wollten. Petra nahm sich vor, zu Jenny etwas freundlicher zu sein.
Harald geriet ganz aus dem Häuschen über die gefüllten Paprikaschoten, die allerdings nicht ganz so schmeckten wie in seiner Kindheit. Petra hatte das Hackfleisch mit Reis gestreckt, während es bei seiner Mutter eingeweichte alte Brötchen waren. Resteverwertung war aus der Mode.
Max hatte in der Küche bereits eine Portion für den Opa abgezweigt, die er nach dem Abendessen nach oben trug.
Eigentlich hatte der Alte schon sein Brot gegessen, aber jetzt verlangte er sogar einen Nachschlag, womit Max leider nicht dienen konnte.
»Fast besser als von Ilse«, sagte er, »aber irgendetwas ist anders. Junge, hast du das gekocht?«
»Das war Mama«, sagte Max. »Opa, was hältst du eigentlich von meinem Plan, Altenpfleger zu werden? Und vielleicht sollte ich bei dieser Gelegenheit auch endlich ausziehen. Aber ich kann dich ja nicht gut allein lassen.«
»Mensch«, sagte der Alte, »du bringst mich auf eine tolle Idee. Wir beide ziehen zusammen aus.«
Max lachte, dann stellte er die uralten, braunbeige karierten Kamelhaarschlappen vors Bett, drückte dem Alten die Fernbedienung in die Hand, machte die Nachttischlampe an und die Deckenleuchte aus und wünschte eine gute Nacht.
21
Der Juni begann ungewöhnlich heiß. Nicht nur die polnischen, selbst die türkischen Arbeiter auf der Baustelle der Tiefgarage stöhnten. Unter der Erde war es kühl gewesen, doch umso schockartiger traf Harald das grelle Sonnenlicht beim Auftauchen in die
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