Ehrenwort
eine leerstehende Immobilie über kurz oder lang baufällig wird, vom Garten ganz zu schweigen.«
»Noch gehört das Haus nicht uns, du kannst es nicht einfach verkaufen«, wandte Petra ein.
»Ich will es wenigstens einmal schätzen lassen«, sagte Harald und zog sich in sein Arbeitszimmer zurück.
Abends kam Jenny, um den Alten bettfertig zu machen. Max hatte sie bereits über den verwirrten Zustand seines Großvaters informiert. Sie bringe ein wirksames Sedativum mit, hatte sie versprochen, denn das sei oft schon die halbe Miete.
Es war zwar ein verschreibungspflichtiges Mittel, das Jenny aus der Tasche zog, aber es war kein Problem für sie gewesen, eine geringe Dosis von einer anderen Patientin abzuzweigen. Max betrachtete seine Freundin besorgt, sie sah verhärmt aus, gealtert und blass. Er mochte die sensible Altenpflegerin definitiv lieber als die abgebrühte Gangsterbraut. Sie sprachen nicht über ihr Abenteuer, nahmen sich nur in den Arm und drückten sich fest. Jenny hatte wenig Zeit und nach Dienstschluss wollte sie ins eigene Bett.
Auch Petra wollte nur noch ihre Ruhe, sich vor den Fernseher auf das Sofa hauen und die Nachrichten sehen. Nach der ungewohnten Nackenmassage in Baden-Baden tat ihr der gesamte Schulter- und Halsbereich weh. Ein Ärger kommt selten allein, dachte sie, als das Telefon klingelte und sie sich wieder erheben musste. Und sie hatte tatsächlich recht: Der Erpresser meldete sich.
»Frau Knobel«, sagte die fremde, heisere Stimme. »Sie haben mich bisher nicht ernst genommen. Ihr Mann lässt anscheinend von seinem idiotischen Plan nicht ab und will auf Biegen und Brechen diese Tiefgarage bauen. Wissen Sie überhaupt, was das für Folgen hat?«
»Nur positive«, sagte Petra so sachlich, wie es eben ging. »Das Amt für Stadtentwicklung verspricht sich eine Menge von diesem Projekt. Die Kundschaft wird nicht mehr in die Großstädte und Mega-Einkaufszentren abwandern, sondern ihr Geld hier bei uns ausgeben!«
»Und die vielen Anwohner, denen das Fundament absackt, an die denken Sie wohl gar nicht! Ich warne Sie jetzt zum letzten Mal! Wenn Sie Ihren Mann nicht in meinem Sinn beeinflussen, wird es verheerende Folgen für Ihre ganze Familie haben!«
Es wurde aufgelegt. Petra war ganz zufrieden mit ihrer unaufgeregten Reaktion. Diese stümperhafte Drohung! Man konnte jetzt mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass der Unbekannte kein professioneller Erpresser war, sondern ein Haus direkt über der unterirdischen Garage besaß. Der Personenkreis wurde damit drastisch eingeschränkt. Harald sollte sofort seinen Freund bei der Kripo anrufen, auch wenn Ronald Melf sonntags nicht im Dienst war.
Harald sagte: »Morgen.« Und gähnte.
Am Montag brachte Max seinem Großvater pünktlich das Frühstück ans Bett, aber der Alte war nicht wachzukriegen. Hatte Jenny das Schlafmittel etwa zu hoch dosiert? Max strich ihm über die Stirn, die aber nicht fiebrig heiß war, auch der Puls ging regelmäßig. Also wartete er ab, bis Elena kam.
Die Italienerin war nicht so zimperlich mit ihren Weckversuchen, denn wie alle Pflegerinnen war sie in ewiger Zeitnot. Doch sie gab bald auf.
»Soll noch ein bissele schlafen, ist nicht krank. Ich mache Opa frisch hier im Bett«, sagte sie und tat nur das Nötigste.
Gleich nachdem seine Eltern und dann auch Elena das Haus verlassen hatten, besorgte sich Max die Rhein-Neckar-Zeitung und studierte aufgeregt die lokalen Nachrichten. Tatsächlich fand er gleich, was er suchte, die fettgedruckte Überschrift war nicht zu übersehen:
Leichenfund in Schrebergartenkolonie
Heidelberger Polizei und Brandspezialisten ermitteln
In einer teilweise ausgebrannten Laube im Gewann Berghof haben Rettungskräfte am frühen Sonntag eine Leiche gefunden. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass es sich um ein Verbrechen handelt. Der Tote, dessen Identität bekannt ist, befand sich dank des schnellen Einsatzes der Feuerwehr in einem nur leicht verkohlten Zustand und hatte ein zu einem Knebel geformtes Taschentuch im Hals stecken. Genaue Ergebnisse werden erst nach der Obduktion erwartet, doch der Tod ist nach aller Wahrscheinlichkeit durch Ersticken eingetreten und nicht durch eine geringfügige Schussverletzung.
Ein in unmittelbarer Nähe abgestellter Polo konnte nach Angaben der Polizei dem Opfer zugeordnet werden. Ein Racheakt aus dem kriminellen Milieu ist nicht auszuschließen.
Zeugen, die zur fraglichen Zeit Auffälligkeiten beobachtet haben, insbesondere
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