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Ehrenwort

Titel: Ehrenwort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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einziges Wort, und auch mit seinem fast nie benutzten Hörgerät war nur ein Rauschen, Knistern oder Brummen zu vernehmen.
    Willy Knobel hatte schon seit Wochen vor, einen Notar zu Rate zu ziehen. Aber machten diese Leute auch Hausbesuche? Der Alte hatte nicht vor, seine Pläne den Angehörigen jetzt schon auf die Nase zu binden. Also bat er Elena, ihm Papier, Umschlag und Briefmarke zu besorgen. Als er wieder allein war, begann er bedächtig, einen Brief zu formulieren. Sein früherer Nachbar war Rechtsanwalt, er schilderte ihm die Situation.

    Sie wissen ja, dass ich mir das Bein gebrochen habe und inzwischen bei meinem Sohn wohne. Demnächst werde ich neunzig, kann nicht mehr telefonieren und das Haus nicht verlassen. Ist es möglich, eine Schenkung und ein Testament mit Hilfe eines Notars hier am Krankenbett aufzusetzen und schließlich auch beglaubigen zu lassen?

    Elena warf den Brief ein, wenige Tage später zog sein Enkel das Schreiben eines Unbekannten aus dem Briefkasten und überreichte es dem Großvater. Natürlich blieb Max erwartungsvoll stehen, denn der Alte bekam fast nie mehr Post. Aber sein Großvater öffnete den Umschlag erst, als er allein war.
    Gegen eine Gebühr machten Notare auch Hausbesuche, sie durften aber nur in ihrem Amtsgerichtsbezirk beurkunden, erfuhr er. Falls er damit einverstanden sei, wollte der frühere Nachbar einen Termin mit einem hiesigen Notar für ihn vereinbaren.

    »Sag mal, Max«, fragte der Alte gutgelaunt, »ist diese Krankenschwester jetzt deine Freundin?«
    Max betrachtete seinen Großvater mit kritischem Blick. Oben auf dem Kopf wuchs fast nichts mehr, aber aus der Nase und den Ohren stahlen sich schon wieder unappetitlich lange Haare hervor, dabei hatte Max sie erst kürzlich mit einem Nagelscherchen gestutzt.
    Nach kurzem Überlegen beschloss er, seinem Opa reinen Wein einzuschenken. »Aber Jenny will auf keinen Fall, dass es ihre Kolleginnen oder meine Eltern erfahren. Es wäre also nett, wenn du mit niemandem darüber sprichst. Mizzi ist allerdings eingeweiht.«
    »Freut mich, freut mich«, sagte der Opa und zwinkerte Max zu. »Ein gesunder junger Mann braucht schließlich eine Frau. Doch alles im Leben hat zwei Seiten. Es heißt zwar: Früh gefreit, hat noch nie gereut, aber auch: Doch prüfe, wer sich ewig bindet! Und außerdem: Liebe macht blind - nemo in amore videt. Also überleg es dir gut, bevor du vor den Altar trittst.«
    »Opa, davon ist wirklich nicht die Rede. War Oma etwa deine allererste Freundin?«
    Leicht verlegen angelte Willy Knobel nach den Zigarren und stellte fest, dass die Schachtel leer war.
    »Nun ja, ich hatte mir vor der Ehe natürlich die Hörner abgestoßen. Ilse war jedoch die Erste, die ich wirklich liebte. - Junge, eines solltest du dir zu Herzen nehmen - mach ihr bloß nicht gleich ein Kind!«
    »Ich lebe schließlich nicht hinterm Mond!«, protestierte Max.
    »Wenn du mal wieder in Dossenheim bist, nimm dir doch van de Veldes Buch Die vollkommene Ehe zur Hand, es wird dir sicher in mancherlei Hinsicht die Augen öffnen...«
    Manchmal konnte der Großvater richtig peinlich werden. Bereits im Teenager-Alter hatte Mizzi ihrem Bruder aus dem Aufklärungsbuch von 1926 vorgelesen, und beide hatten sich fast krankgelacht.
    »Opa, wir haben ganz andere Probleme.«
    »Na sag schon, vielleicht kann ich dir ja helfen.«
    Fast hätte Max eine Andeutung über tätowierte Raubvögel, den toten Pit Bull und den erpresserischen Falko gemacht. Er schluckte es hinunter.
    »Jenny hat eine schrecklich hellhörige Wohnung, ich darf sie dort nicht besuchen. Etwas anderes kann sie sich aber nicht leisten, denn Altenpflegerinnen werden nicht gerade fürstlich bezahlt. 10 Euro für die Stunde ist das Höchste. Und ich verdiene schließlich noch keinen Cent...«
    »Verstehe«, sagte der Alte. »Und sie will nicht, dass deine Eltern sie mit dir erwischen. Da weiß ich zum Glück eine Lösung, die für uns alle vorteilhaft sein wird. Verlass dich nur auf deinen Großvater, der wird's schon richten.«
    Max war sich da nicht so sicher, aber er wusste, dass der Alte stur sein konnte. Vielleicht hatte er ja ein Testament im Sinn, in dem die Enkelkinder großzügig bedacht wurden, vielleicht handelte es sich aber auch wieder um irgendeine Schnapsidee. Sein Vater hatte schon wiederholt über Entmündigung gesprochen, weil der Alte nicht mehr zurechnungsfähig sei.
    Sie sahen sich an und sagten nichts mehr. Von wem hat der Junge bloß diese melancholischen Augen,

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