Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)
Identität genau unterrichtet war, mit einem Flüchtlingspaß auf den Namen Richard Klement ausstattete und nach Buenos Aires weiterschickte. Er kam dort Mitte Juli an, erhielt ohne Schwierigkeiten Personalpapiere und eine Arbeitserlaubnis als Ricardo Klement, katholisch, Junggeselle, staatenlos, 37 Jahre alt – sieben Jahre jünger als sein wirkliches Alter.
Er war immer noch vorsichtig, aber er schrieb seiner Frau jetzt in seiner eigenen Handschrift und erzählte ihr, daß »der Onkel ihrer Kinder« am Leben sei. Er verdiente sich sein Geld mit Gelegenheitsarbeiten – als Handelsvertreter, als Wäschereiarbeiter, auf einer Kaninchenfarm –, alles schlecht bezahlte Stellungen, aber im Sommer 1952 ließ er Frau und Kinder nachkommen. (Frau Eichmann bekam in Zürich einen deutschen Paß, obgleich sie damals in Österreich ansässig war, und zwar unter ihrem richtigen Namen, als »geschiedene« Frau eines gewissen Eichmann. Wie das zustande kam, ist immer noch ein Geheimnis; die Akte mit ihrem Antrag ist aus dem deutschen Konsulat in Zürich verschwunden.) Nach ihrer Ankunft in Argentinien fand Eichmann seine erste feste Stellung in der Mercedes-Benz-Fabrik in Suarez, einem Vorort von Buenos Aires, zunächst als Autoschlosser und dann als Vorarbeiter, und als ihm ein vierter Sohn geboren wurde, soll er seine Frau unter dem Namen Klement zum zweiten Male geheiratet haben. Das ist aber nicht recht wahrscheinlich, denn das Kind wurde standesamtlich als Ricardo Francisco (wohl zum Dank an den italienischen Priester) Klement Eichmann eingetragen; und das war nur einer von zahlreichen Hinweisen auf seine Identität, mit denen Eichmann immer weniger geizte, als ein Jahr nach dem anderen verstrich. Es scheint allerdings zu stimmen, daß er sich seinen Kindern gegenüber als Adolf Eichmanns Bruder ausgab, aber die Kinder, die ihre Großeltern und Onkel in Linz gut kannten, hätten ziemlich dumm sein müssen, wenn sie das glaubten; zumindest der älteste Sohn, der seinen Vater mit neun Jahren zuletzt gesehen hatte, hätte ihn sieben Jahre später in Argentinien wiedererkennen müssen. Frau Eichmanns argentinischer Personalausweis wurde überdies niemals geändert (er war auf »Veronika Liebl de Eichmann« ausgestellt), und als 1959 Eichmanns Stiefmutter und ein Jahr danach sein Vater starb, stand in Linzer Zeitungen entgegen allen Geschichten von Scheidung und Wiederverheiratung Frau Eichmanns Name unter den Hinterbliebenen. Anfang 1960, einige Monate vor seiner Gefangennahme, waren Eichmann und seine älteren Söhne mit dem Bau eines primitiven Ziegelhauses ohne Elektrizität und ohne fließendes Wasser in einem ärmlichen Vorort von Buenos Aires fertig geworden, in dem sich die Familie jetzt niederließ. Es muß ihnen sehr schlecht gegangen sein, ein trübseliges Leben, für das Eich mann auch von seinen Kindern nicht entschädigt wurde, denn sie waren »an geistiger Fortbildung und an Weiterbildung ihrer – ihrer, sagen wir mal. Fähigkeiten so absolut desinteressiert«.
Eichmanns einzige Abwechslung bestand in endlosen Unterhaltungen mit Mitgliedern der großen Nazikolonie, denen er seine Identität bereitwillig zu erkennen gab. Daraus ergab sich schließlich im Jahre 1955 das Interview mit dem holländischen Journalisten Willem S. Sassen, einem ehemaligen Mitglied der Waffen-SS, der seine holländische Staatsangehörigkeit während des Krieges gegen einen deutschen Paß eingetauscht hatte und später in Belgien in absentia zum Tode verurteilt worden war. Eichmann machte umfangreiche Notizen für das Interview, das auf Band aufgenommen und dann von Sassen mit beträchtlichen Ausschmückungen umgeschrieben wurde; der Staatsanwaltschaft gelang es auf bisher ungeklärte Weise, in den Besitz dieser wie anderer Notizen in Eichmanns Handschrift zu kommen, und all dies wurde im Prozeß als Beweismaterial zugelassen, nicht dagegen der eigentliche Sassen-Bericht. Sassens Version erschien in gekürzter Form zuerst in der Illustrierten »Stern« im Juli 1960 und dann im November und Dezember als Artikelserie in dem amerikanischen »Life«. Aber Sassen hatte die Geschichte, offenbar mit Eichmanns Zustimmung, schon vier Jahre vorher einem Korrespondenten von »Time« und »Life« in Buenos Aires angeboten, und selbst wenn es richtig sein sollte, daß Eichmanns Name hierbei zurückgehalten wurde, so ließ doch die Art des Materials keinen Zweifel daran aufkommen, daß diese Informationen aus erster Hand stammten. Man sieht, Eichmann
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