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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Arendt
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aufs Spiel gesetzt hatten, Neutrale nicht zulassen könnten« (Vabres) – als rund sechzehn Jahre später, zumal die besonderen Umstände in diesem Fall das Argument gegen die Zulassung neutraler Länder ohnehin sinnlos machten.
    Was den zweiten Punkt anlangt, war der Spruch des Jerusalemer Gerichts unvergleichlich angemessener als die Nürnberger Urteile. Das den Nürnberger Prozessen zugrunde liegende Londoner Statut hat, wie bereits erwähnt, die »Verbrechen gegen die Menschheit« als »unmenschliche Handlungen« definiert, woraus dann in der deutschen Übersetzung die bekannten »Verbrechen gegen die Menschlichkeit « geworden sind – als hätten es die Nazis lediglich an »Menschlichkeit« fehlen lassen, als sie Millionen in die Gaskammern schickten, wahrhaftig das Understatement des Jahrhunderts. Hätte freilich der Ankläger Prozeßführung und Urteilsfindung in Jerusalem bestimmt, so hätte dies grundsätzliche Mißverständnis sich noch schlimmer ausgewirkt als in Nürnberg. Aber die Richter weigerten sich, den grundsätzlichen Charakter des Verbrechens in einer Flut einzeln registrierter Greueltaten untergehen zu lassen und gingen nicht in die Falle, dieses Verbrechen mit gewöhnlichen Kriegsverbrechen gleichzustellen. Was in Nürnberg nur gelegentlich und überdies nebenbei erwähnt worden war, nämlich daß »das Beweismaterial zeigt, daß … die Massenmorde und Grausamkeiten nicht einzig zum Zweck der Liquidierung der Opposition begangen wurden«, sondern »Teil eines Plans waren, die ganze einheimische Bevölkerung zu beseitigen«, stand schon deshalb im Mittelpunkt des Jerusalemer Verfahrens, weil Eichmann des Verbrechens gegen das jüdische Volk angeklagt war, also eines Delikts, das nicht mit irgendwelchen Zweckmäßigkeitsgründen erklärt werden konnte; Juden waren in ganz Europa, nicht nur im Osten, ermordet worden, und ihre Ausrottung diente noch nicht einmal der »Lebensraumerweiterung«, der Gewinnung von volklosem Raum, das »für Kolonisierung durch Deutsche benutzt werden konnte«. Es war der große Vorteil eines Prozesses, in dem nur das Verbrechen gegen das jüdische Volk verhandelt wurde, daß nicht nur die Unterschiede zwischen Kriegsverbrechen (wie die Hinrichtungen von Partisanen und Geiseln) und »unmenschlichen Handlungen« (wie »Austreibung und Vernichtung« der einheimischen Bevölkerung) sich deutlich genug abzeichneten, um Teil eines künftigen internationalen Strafrechts zu werden, sondern daß auch der Unterschied zwischen »unmenschlichen Handlungen« (deren Zweck: Expansion und Kolonisation, zwar verbrecherisch, aber nicht neu war) und dem in jeder Hinsicht beispiellosen »Verbrechen an der Menschheit« hätte geklärt werden können. Eine solche Klärung erwartete man vergeblich. Weder im Verfahren noch im Urteil hat der Jerusalemer Prozeß je die Möglichkeit auch nur erwähnt, daß die Auslöschung ganzer Völker – der Juden, der Polen oder der Zigeuner – mehr als ein Verbrechen gegen das jüdische oder das polnische Volk oder das Volk der Zigeuner sein könnte, daß vielmehr die völkerrechtliche Ordnung der Welt und die Menschheit im ganzen dadurch aufs schwerste verletzt und gefährdet sind.
    In engem Zusammenhang mit diesem Versagen stand die sichtbare Hilflosigkeit der Richter vor der Aufgabe, der sie sich am wenigsten entziehen konnten, nämlich, den Angeklagten zu verstehen, über den sie zu Gericht saßen. Dafür genügte es nicht, sich der offenbar falschen Beschreibung des Angeklagten durch den Staatsanwalt als eines »perversen Sadisten« nicht anzuschließen, und es hätte auch nicht geholfen, wenn sie einen Schritt weiter gegangen wären und die Inkonsequenz aufgezeigt hätten, mit der die Anklage Eichmann als das größte Ungeheuer, das die Welt je gesehen hat, verurteilt sehen wollte, um im gleichen Atemzug zu erklären, es gäbe »viele wie ihn«, ja er sei typisch für »die ganze Nazibewegung und für alle Antisemiten überhaupt«. Ihnen war natürlich klar, wie beruhigend es gewesen wäre, an die Legende von dem »Ungeheuer« zu glauben, obwohl es, was Hausner offenbar nicht begriff, um die Anklage Israels gegen ihn dann nicht gut bestellt gewesen wäre und der Fall alles Interesse verloren hätte. Man kann schließlich nicht Gott und die Welt mobilisieren und Korrespondenten aus allen Himmelsrichtungen heranholen, um ihnen Ritter Blaubart auf der Anklagebank vorzuführen. Das beunruhigende an der Person Eichmanns war doch gerade, daß er war

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