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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Arendt
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des Verteidigers, und die Frage, weshalb Dr. Servatius, der einige unwesentliche Widersprüchlichkeiten dieser Zeugenaussage aufgriff, sich eines so leicht zugänglichen und weitbekannten Werkes nicht bediente, ist schwer zu beantworten. Er hätte sich z. B. darauf berufen können, daß Eichmann gleich nach seiner Verwandlung aus dem »Auswanderungs«- in den »Evakuierungs«-Experten seine alten jüdischen Verbindungsmänner aus der Emigrationsperiode zu »Judenältesten« in Theresienstadt ernannte: Dr. Paul Eppstein, den Leiter der Berliner Emigrationsstelle, und Rabbi Benjamin Murmelstein, der die gleiche Stellung in Wien innegehabt hatte. Das hätte die Atmosphäre, in der Eichmann arbeitete, besser rekonstruiert als all die unerfreulichen, oft geradezu empörenden Reden der Verteidigung über Eid und Treue und die Vorteile des Kadavergehorsams für das gesunde Leben der Staaten. Die Aussage von Frau Charlotte Salzberger (aus der ich bereits zitierte) erlaubte uns wenigstens einen flüchtigen Blick auf diesen vernachlässigten Aspekt dessen, was die Anklage ihr »Gesamtbild« nannte. Dem vorsitzenden Richter gefiel weder dieser Ausdruck noch das Bild selbst. Er ermahnte den Generalstaatsanwalt mehrfach, daß »wir hier keine Bilder malen«, es handle sich »um eine Anklage, und diese Anklage ist der Rahmen für unser Verfahren«, das Gericht habe sich »seine eigene Ansicht über dieses Verfahren auf Grund der Anklage« gebildet, und die Staatsanwaltschaft müsse »sich an die Richtlinien halten, die das Gericht festlegt« – beherzigenswerte Ermahnungen zur Einhaltung eines korrekten strafrechtlichen Verfahrens, die alle nicht beachtet wurden. Ja, die Staatsanwaltschaft unterließ es sogar, ihre Zeugen überhaupt zu vernehmen; wenn die Richter einmal gar zu nachdrücklich mahnten, warf sie den Zeugen gesprächsweise ein paar Fragen hin – mit dem Ergebnis, daß sich die Zeugen verhielten, als seien sie Versammlungsredner auf einem Meeting unter dem Vorsitz des Generalstaatsanwalts. Sie durften fast so lange reden, wie sie wünschten, und nur bei seltenen Gelegenheiten wurden ihnen überhaupt spezifische Fragen gestellt.
    Diese Atmosphäre also – nicht so sehr die eines Schauprozesses als vielmehr die einer Massenversammlung, auf der ein Redner nach dem anderen das Publikum in Erregung zu setzen sucht – war besonders spürbar, als die Anklage die Zeugen über den Aufstand im Warschauer Getto und über ähnliche Versuche in Wilna und Kowno aussagen ließ, also über Vorgänge, die überhaupt keinen Zusammenhang mit den Verbrechen des Angeklagten hatten. Diese Zeugen hätten etwas zu dem Verfahren beigetragen, wenn ihre Aussagen die Tätigkeit der Judenräte geschildert hätten, die ihnen gegenüber während ihrer eigenen heroischen Mühen und Kämpfe eine so große und so verhängnisvolle Rolle gespielt haben. Natürlich kam die Rede darauf, aber die Zeugen waren nur zu erleichtert, daß sie auf diese Seite ihrer Geschichte nicht näher einzugehen brauchten, und verlegten die Diskussion auf die Rolle echter Verräter, von denen es wenige gegeben hat, auf »namenlose Leute, die in der jüdischen Öffentlichkeit nicht bekannt waren« und »unter denen alle Untergrundbewegungen litten, die gegen die Nazis kämpften«. (Das Publikum bot zum Zeitpunkt dieser Vernehmungen wiederum ein anderes und einzigartiges Bild – jetzt bestand es aus Kibbuzniks, aus Mitgliedern der israelischen Gemeinschaftssiedlungen, zu denen alle Zeugen der jüdischen Widerstandsbewegung gehörten.) Den klarsten und aufschlußreichsten Bericht erhielt man von Zivia Lubetkin Zuckermann, einer heute etwa 40jährigen und noch sehr schönen Frau, die völlig frei war von Sentimentalität und Selbstbewunderung, die ihre Fakten wohl geordnet im Kopf hatte und stets sicher war, worauf sie hinauswollte. Juristisch waren die Aussagen all dieser Zeugen ohnehin unerheblich – Herr Hausner hat nicht eine einzige davon in seinem Schlußplädoyer erwähnt –, es sei denn, man hätte die engen Kontakte zur Geltung gebracht, die zwischen dem jüdischen Widerstand und den polnischen und russischen Partisanen bestanden; und abgesehen davon, daß ihnen andere Aussagen (»wir hatten die ganze Bevölkerung gegen uns«) widersprachen, hätte dies nur der Verteidigung nützen können, da sie für den Massenmord an Zivilisten eine viel bessere Rechtfertigung darboten als Eichmanns wiederholte Behauptung, daß »Weizmann 1939 Deutschland den Krieg erklärt«

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