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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Arendt
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habe. (Das war reiner Unsinn. Chaim Weizmann hatte zum Schluß des letzten Zionistenkongresses kurz vor Ausbruch des Krieges nichts weiter gesagt, als daß der Krieg der westlichen Demokratien »unser Krieg [ist], ihr Kampf ist unser Kampf«. Es war ja gerade das Unglück der Juden, wie Hausner richtig betonte, daß sie von den Nazis nicht als kriegführende Nation anerkannt wurden, denn dann hätte man sie in Kriegsgefangenenlager und in Internierungslager für Zivilisten gesteckt, wo die Chancen zum Überleben vergleichsweise groß waren.) Hätte Dr. Servatius auf die Zusammenhänge zwischen den Untergrundbewegungen hingewiesen und behauptet, die Maßnahmen gegen Juden seien ein Teil der Partisanenbekämpfung gewesen, dann wäre die Anklage gezwungen worden zuzugeben, wie unsagbar klein die Widerstandsgruppen waren, wie unglaublich schwach und im Grunde harmlos – und darüber hinaus, wie wenig sie die jüdische Bevölkerung repräsentiert haben, die sich einmal, wie einer der Zeugen aussagte, sogar mit Waffen gegen sie stellte.
    Die juristische Bedeutungslosigkeit all dieser sehr zeitraubenden Vernehmungen blieb den Korrespondenten nicht verborgen, während die politische Absicht der israelischen Regierung, die dahinterstand, nicht schwer zu erraten war. Vermutlich wollte Herr Hausner (oder Premierminister Ben Gurion) demonstrieren, daß aller Widerstand gegen die Nazis von Zionisten ausgegangen sei, als ob die Zionisten als einzige unter den Juden wüßten, daß es, in Zuckermanns Worten, aller Mühe wert ist, die Ehre zu retten, wenn schon das Leben verloren ist; beziehungsweise daß, in den Worten seiner Frau, unter gewissen, hier obwaltenden Bedingungen einem Menschen nichts Schlimmeres geschehen kann, als »unschuldig« zu sein und zu bleiben. Im übrigen traf jene »politische« Absicht ins Leere, denn die Zeugen hielten sich an die Wahrheit und sagten dem Gericht, daß im Widerstand alle jüdischen Organisationen und Parteien vertreten gewesen waren und daß der entscheidende Unterschied nicht zwischen Zionisten und Nicht-Zionisten, sondern zwischen Organisierten und Nichtorganisierten lag und, wichtiger noch, zwischen jungen Menschen und den mittleren und älteren Jahrgängen. Gewiß hatten die Widerstandsgruppen insgesamt nur eine winzige Minderheit dargestellt, und doch war es in der damaligen Situation, wie ein Zeuge betont, »ein Wunder, daß es diese Minderheit gab«.
    Abgesehen von allen juristischen Überlegungen, war es eine ausgesprochene Wohltat, auf dem Zeugenstand dieses Gerichtssaales den ehemaligen jüdischen Widerstandskämpfern zu begegnen. Ihr Auftreten verjagte das Gespenst einer allseitigen Gefügigkeit und brachte in den erstickenden, vergiftenden Dunstkreis der »Endlösung«, der sich in diesem Prozeß noch einmal ausbreitete, ein wenig Luft. Daß in den Todeslagern die direkten Handreichungen zur Vernichtung der Opfer im allgemeinen von jüdischen Kommandos verrichtet wurden, diese an sich bekannte Tatsache hatten die von der Anklage geladenen Zeugen klipp und klar bestätigt – wie die »Sonderkommandos« in Gaskammern und Krematorien gearbeitet, wie sie den Leichen die Goldzähne gezogen und die Haare abgeschnitten hatten, wie sie die Gräber gegraben und später die gleichen Gräber wieder aufgegraben hatten, um die Spuren des Massenmords zu beseitigen, wie jüdische Techniker die später nicht benutzten Gaskammern in Theresienstadt gebaut hatten, wo die jüdische »Autonomie« so weit getrieben wurde, daß selbst der Henker ein Jude war. Das alles war zwar grauenhaft, aber ein moralisches Problem war es nicht. Die Selektion und Klassifikation der Arbeiter in den Lagern wurde von der SS getroffen, die eine ausgeprägte Vorliebe für kriminelle Elemente hatte; es konnte sich da in jedem Fall nur um die Auswahl der Schlechtesten handeln. (Das galt besonders für Polen, wo die Nazis einen großen Prozentsatz der jüdischen Intelligenz schon in den ersten Kriegsjahren umgebracht hatten, als sie die polnischen Intellektuellen und Angehörigen der freien Berufe töteten – in direktem Gegensatz übrigens zu ihrer Politik in Westeuropa, wo sie prominente Juden eher als Tauschobjekte aufbewahrten, um mit ihnen deutsche Zivilinternierte oder Kriegsgefangene auszulösen; Bergen-Belsen war ursprünglich ein Lager für »Austauschjuden« gewesen.) Das moralische Problem lag in dem Gran von Wahrheit, der in Eichmanns Darstellung seiner Zusammenarbeit mit den jüdischen Funktionären selbst

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