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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Arendt
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in Berlin angewiesen, vor der Deportation mit jedem dieser Juden einen »Heimeinkaufsvertrag« für Theresienstadt abzuschließen. Der Anwärter auf ein »Heim« übertrug sein gesamtes Vermögen der Reichsvereinigung, wofür diese ihm Wohnung, Essen, Kleidung und ärztliche Versorgung auf Lebenszeit garantierte. Als zum Schluß die letzten Beamten der Reichsvereinigung selbst nach Theresienstadt geschickt wurden, konfiszierte das Reich einfach die beträchtlichen Geldsummen in der Kasse der Reichsvereinigung.
    Alle Deportationen vom Westen nach dem Osten wurden von Eichmann und seinen Helfern im Dezernat IV-B-4 des RSHA organisiert und koordiniert – dies war eine Tatsache, die auch im Jerusalemer Prozeß nie strittig war. Aber um die Juden in die Eisenbahnzüge zu bringen, brauchte er Unterstützung durch normale Polizeieinheiten. In Deutschland bewachte die Ordnungspolizei die Züge und stellte die entsprechenden Begleitposten. Im Osten stand die Sicherheitspolizei (nicht zu verwechseln mit Himmlers Sicherheitsdienst oder SD) an den Zielstationen bereit, um die Züge in Empfang zu nehmen und ihre Insassen an die Behörden der Vernichtungslager zu übergeben. Das Jerusalemer Gericht hielt sich an die in Nürnberg festgelegte Definition »verbrecherischer Organisationen«; das bedeutete, daß weder die Ordnungspolizei noch die Sicherheitspolizei jemals erwähnt wurden, obgleich ihre aktive Teilnahme an der Durchführung der »Endlösung« inzwischen voll bewiesen war. Aber selbst wenn man sämtliche Organisationen der Polizei zu den vier als »verbrecherisch« definierten Organisationen – NS-Führerkorps, Gestapo, SD und SS – hinzugefügt hätte, wären die Nürnberger Unterscheidungen inadäquat geblieben und hätten der Realität des Dritten Reichs nicht entsprochen. Denn zumindest in den Kriegsjahren lagen die Dinge in Wirklichkeit so, daß es in Deutschland keine einzige Organisation oder öffentliche Institution gab, die nicht in verbrecherische Handlungen und Transaktionen verwickelt gewesen wäre.
    Nachdem man das lästige Problem der persönlichen Interventionen durch die Errichtung von Theresienstadt gelöst hatte, stand einer »radikalen« und »endgültigen Lösung« immer noch zweierlei im Wege. Einmal das Problem der Halbjuden, die die »Radikalen« mit den Volljuden zusammen deportieren, die die »Gemäßigten« aber nur sterilisieren wollten – denn wer zuließe, daß Halbjuden getötet würden, sage sich damit gleichzeitig von »der Hälfte ihres Blutes, die deutsch ist« los, erläuterte Stuckart vom Innenministerium auf der Wannsee-Konferenz. (In der Praxis ist im Hinblick auf Mischlinge oder auf in gemischten Ehen lebende Juden nie etwas unternommen worden; »ein Wald von Durchführungsverordnungen«, um Eichmann zu zitieren, umgab und beschützte sie – vornehmlich ihre nichtjüdischen Verwandten – sowie die enttäuschende Tatsache, daß die nazistischen Ärzte trotz aller Zusagen keine Schnellmethode für Massensterilisierungen entdeckten.) Das zweite Problem bestand darin, daß es in Deutschland einige tausend ausländischer Juden gab, die die Deutschen nicht durch Deportation ihrer Nationalität berauben konnten. Ein paar hundert amerikanische und englische Juden wurden einfach interniert und für Austauschzwecke bereitgehalten, dagegen sind die Methoden, die man für den Umgang mit Staatsangehörigen neutraler oder mit Deutschland verbündeter Länder erfand, interessant genug, um festgehalten zu werden, zumal sie im Prozeß eine gewisse Rolle spielten. Denn mit Bezug auf diese Gruppe wurde Eichmann beschuldigt, daß er außergewöhnlichen Eifer an den Tag gelegt habe, um auch nicht einen einzigen Juden entkommen zu lassen. Diesen Eifer teilte er mit den Berufsdiplomaten des Auswärtigen Amtes, die, wie Reitfinger sagt, »die Tatsache, daß einige wenige Juden sich vor Mißhandlung und langsamem Tod zu retten vermochten, … [immer] sofort auf den Plan rief« und die er in allen derartigen Fällen hinzuziehen mußte. Nach Eichmanns Meinung wäre es die einfachste und logischste Lösung gewesen, alle Juden ohne Rücksicht auf Staatsangehörigkeit zu deportieren. Nach den Richtlinien der Wannsee-Konferenz, die auf dem Höhepunkt von Hitlers Siegeszug stattgefunden hatte, sollte die »Endlösung« auf alle europäischen Juden angewandt werden, deren Zahl auf elf Millionen geschätzt wurde, und Bagatellen wie Staatsangehörigkeit oder die Rechte der Verbündeten und neutralen Länder

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