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Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Titel: Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Ost‹ des deutschen Generalstabes. Aufgabe: Ausspionieren des Gegners,
unter besonderer Berücksichtigung der Sowjetunion. Ein Mann ganz nach dem Geschmack
der Amerikaner. Grund genug, ihn und eine Reihe hochrangiger Offiziere für sich
arbeiten zu lassen. Getreu der Devise: ›Der Feind meines Feindes ist mein Freund.‹
Klug eingefädelt, Herr Gehlen. Das macht Ihnen so schnell keiner nach. Im richtigen
Moment die Fronten wechseln, das ist die Kunst!« Längst nicht mehr so beherrscht
wie zuvor, ließ Morells ehemalige Verehrerin ihrem Groll freien Lauf. »Verstehst
du, was ich damit sagen will, Theo? Die Handlanger von einst sind verdammt gut über
den Winter gekommen. Wo man auch hinsieht, nichts als Ex-Nazis, die es geschafft
haben, wieder in Amt und Würden zu gelangen. Du glaubst gar nicht, wie mich das
anwidert!« Luise Nettelbeck rang nach Luft, ließ einige Sekunden verstreichen und
fragte: »Na, habe ich dir zu viel versprochen?«
    Der Boulevardreporter
gab keine Antwort. Stattdessen betrachtete er den Inhalt des Kuverts, das er aus
der Hand seiner Gesprächspartnerin in Empfang genommen hatte. Auf den ersten Blick
nichts Weltbewegendes, nur eine beschriftete Karteikarte. Namen, Daten, mit Schreibmaschine
getippte Notizen. Kein Grund zur Aufregung, möchte man meinen.
    Doch dem
war nicht so. Das Dokument in seiner Hand war Sprengstoff pur, und obwohl er gelernt
hatte, sich zu beherrschen, begann Morells rechte Hand zu zittern. »Standartenführer
Eichmann befindet sich nicht in Ägypten, sondern hält sich unter dem Decknamen Clemens [24] in Argentinien auf.
Die Adresse von E. ist beim Chefredakteur der deutschen Zeitung in Argentinien ›Der
Weg‹ bekannt.« Um zu begreifen, was hier stand, musste Morell seine gesamte Fantasie
aufbieten. Und nicht nur das. Er musste aufpassen, dass er nicht die Beherrschung
verlor, damit die Wut, welche ihn packte, nicht die Oberhand gewann.
    Kaum imstande,
klar zu denken, zwang sich Morell zur Ruhe. Dass Eichmann sich nach Argentinien
abgesetzt und bis zu seiner Entführung dort gelebt hatte, war eine Sache. Schließlich
war der Gerechtigkeit Genüge getan, der Völkermord, an dem er beteiligt gewesen
war, nicht ungesühnt geblieben. Die Tatsache, dass dies volle 15 Jahre gedauert
hatte, ließ dagegen einen schlimmen Verdacht aufkommen. Einen Verdacht, der am heutigen
Tage bestätigt worden war.
    21. Juni
1952. Da stand es, schwarz auf weiß. Der Aktenvermerk war vor knapp zehn Jahren
gemacht worden. Aschfahl im Gesicht, hatte Morell Mühe, dem Würgen in seiner Kehle
Herr zu werden. Kein Zweifel: Hier handelte es sich nicht etwa um einen Tippfehler.
Die übrigen Datumsangaben, allesamt aus dem gleichen Jahr, waren Beweis genug.
    Der Boulevardreporter
stöhnte auf. Da war sie nun, die Story, auf die er jahrelang gewartet hatte. Ein
Aufmacher der Güteklasse A, Pfahl im Fleisch all derjenigen, die geglaubt hatten,
ein perfides, an Menschenverachtung nicht zu überbietendes Spiel treiben zu können.
Mit welchem Motiv, lag auf der Hand. Nur ja nicht die Friedhofsruhe stören, nur
ja keine Reminiszenzen an eine Zeit wecken, an die niemand, am allerwenigsten ein
Mann vom Schlage Gehlens, erinnert werden wollte. Die Strippenzieher von einst waren
wieder wer, und wenn sie etwas einte, dann der Wunsch, die Vergangenheit ruhen zu
lassen. Besser ein Schreibtischtäter, der in Argentinien sein Dasein fristete, als
ein SS-Obersturmbannführer, der auspacken und die Mitglieder des Eichmann-Syndikats
mit sich in den Abgrund reißen würde. Von Mitwissern bei der CIA und Diensten, die
mit ihr zusammenarbeiteten, gar nicht zu reden.
    Morells
Miene verfinsterte sich. Und was war mit den Opfern, mit all jenen, die seiner Willkür
hilflos ausgeliefert gewesen waren? Nun, die würde man ohnehin nicht mehr lebendig
machen können. Ein Grund mehr, möglichst rasch zur Tagesordnung überzugehen.
    »Was hast
du dir eigentlich dabei gedacht, Luise?«, fragte Morell und sah durch das offene
Portal in den Park hinaus. Inzwischen regnete es in Strömen, und er fragte sich,
wie lange er hier wohl würde ausharren müssen. »Wenn das rauskommt, kannst du dein
Testament …«
    »Ich will,
dass es herauskommt, Theo, sonst stünde ich nicht hier.«
    »Heißt das,
du …«
    »Das heißt,
ich beabsichtige, dir die Karteikarte zu überlassen. Zum Nulltarif .«
    Morell glaubte,
er habe sich verhört. »Wie bitte?«, rief er aus und drehte sich auf dem Absatz um.
»Du willst, dass ich sie behalte –

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