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Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Titel: Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Blöße zu geben, wurde Lea recht
bald klar.
    »Das war
Tom«, sagte Sydows Frau bei ihrer Rückkehr in den Wintergarten, von wo aus man einen
ungehinderten Blick auf den Wannsee und die Ausflugsschiffe auf der Havel werfen
konnte. Für die Terrasse vor der Tür war es leider zu kühl, weshalb sie den Tee
lieber hier serviert hatte. »Tut mir leid, es wird ein bisschen später.«
    Jede andere
Mutter dieser Welt hätte jetzt ihren Unmut kundgetan. Nicht so Abigail Wentworth,
die nach der Scheidung wieder ihren Mädchennamen angenommen und sämtliche Brücken,
auch die zu ihren Kindern, hinter sich abgebrochen hatte. »Warum sollte es?«, gab
sie mit an Nonchalance grenzender Gelassenheit zurück, nippte an ihrem Tee und verzog
keine Miene. »Hauptsache, er tut seine Pflicht, oder?«
    »Sagen wir
es einmal so: Hauptsache, er tut das Richtige.« Das war keine Frage, sondern der
untaugliche Versuch, sie aus der Reserve zu locken. Mit dieser Masche würde die
Dame nicht bei ihr landen können, weshalb Lea beschloss, den Spieß umzudrehen. »Mehr
kann man als Ehefrau nicht verlangen, denke ich.«
    »Falls du
damit auf Toms Vater anspielst, Lea: Ja, ich bin der Meinung, dass er nicht immer
das Richtige getan hat. Von der Zeit nach unserer Trennung, als er die Karriereleiter
hinaufgeklettert und zum Mitschuldigen geworden ist, gar nicht zu reden.«
    Da sie es
für das Beste hielt, sich nicht in anderer Leute Angelegenheiten zu mischen, verzog
auch Lea keine Miene, schenkte Tee nach und ließ das Thema auf sich beruhen.
    Ihre Taktik
sollte sich prompt auszahlen. »Aber lassen wir das!«, entschied ihr Gegenüber, rückte
ihre ausladende Kopfbedeckung zurecht und presste die Lippen aneinander, bis die
Farbe aus ihnen wich. »Und reden wir lieber über meinen Sohn. Ist er eigentlich
immer noch so schlecht auf mich zu sprechen wie früher?«
    »Da musst
du ihn schon selbst fragen«, konterte Lea und spielte den Ball gekonnt zurück. »Soviel
ich weiß, hat er unter eurer Trennung sehr gelitten. Von dem, was er während und
nach dem Krieg erlebt hat, nicht zu reden.«
    Der Wink
mit dem Zaunpfahl saß, wenngleich Sydows Mutter die Gelegenheit zur Revanche nicht
ungenützt verstreichen ließ. »Sie war eine bildhübsche Frau«, entgegnete sie, in
der Hoffnung, Lea auf dem falschen Fuß zu erwischen.
    »Seine Verlobte?
Das stimmt«, gab Lea zurück. »Er hat oft von ihr erzählt. Und natürlich hat er mir
auch Bilder von ihr gezeigt.«
    »Tatsächlich?
Hat dir das nichts ausgemacht?«
    Anstatt
etwas zu erwidern, drehte Lea den Spieß erneut um. »Erlaubst du mir eine Frage?«,
erkundigte sie sich und dachte nicht daran, die Antwort abzuwarten. »Die Trennung
von deinen Kindern muss dir furchtbar schwergefallen sein. Ich frage mich, wie man
so etwas verkraftet. Jahrelang ohne Nachricht, nur um bei Kriegsende zu erfahren,
dass die eigene Tochter bei einem Bombenangriff … Wie gesagt: Mich wundert, wie
man so etwas verarbeiten kann.«
    »Genauso
gut oder schlecht wie mein Herr Sohn. Und was meine Tochter angeht: Sie war Papas
Kind. War es, blieb es und ist es immer gewesen.«
    »Ihr Name
war Agnes, nicht?« Kaum war ihr die Frage herausgerutscht, bereute Lea sie auch
schon. »Verzeih, ich … Ich fürchte, das war ziemlich taktlos von mir.«
    »Was heißt
hier ›taktlos‹«, gab ihre Schwiegermutter zurück, wie eine Eins auf dem Rand ihres
Korbsessels sitzend und die Teetasse in der feingliedrigen Hand. Eine Hand, die
weder zitterte noch erkennen ließ, dass ihre Besitzerin im siebten Lebensjahrzehnt
stand. »Irgendwann müssen wir schließlich darüber reden.« Als sei nichts geschehen,
nippte Sydows Mutter an ihrem Tee, stellte die Tasse wieder ab und kostete von dem
Mohnkuchen, den Lea gebacken hatte. »Hm – köstlich!«, rief sie aus und erweckte
den Eindruck, den Faden verloren zu haben. Dass dies nicht zutraf, stellte sie prompt
unter Beweis: »Offen gesagt, Lea, was Agnes betrifft, sind meine Wunden längst verheilt.
Ich kann verstehen, wenn du dich jetzt wunderst, aber ich sage das nicht ohne Grund.«
Bevor sie fortfuhr, nahm Sydows Mutter einen Schluck Tee zu sich. Dann sagte sie:
»Zeitlebens habe ich keinen Zugang zu diesem Kind gehabt. Dabei habe ich nichts
unversucht gelassen, habe getan, was in meiner Macht stand, mir Mühe gegeben, meine
Tochter zu verstehen. Vergebens. Ich stand auf verlorenem Posten, von Beginn an.
Da wünscht man sich nichts sehnlicher als eine Tochter – und dann dies. Glaube mir,
Lea: Hätte

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