Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)
Lachen. »Keine Sorge«, antwortete Sydows Frau und ließ sich auf
den nächstbesten Stuhl sinken, »den Genossen von der Stasi wird bestimmt etwas einfallen.«
14
Berlin-Tiergarten, Luiseninsel │ 17:10 h
»Sag mal, Theo«, ereiferte sich
Sydow, der seine Wut nur mit Mühe unterdrücken konnte, »ist dir klar, auf was du
dich da eingelassen hast?«
»Ja, ist
es!«, bekräftigte Morell, der neben Sydow auf einer Parkbank saß und mit betretener
Miene vor sich hinstarrte. Die Luft ringsum war feucht und stickig, die Hainbuchenblätter
und der Rhododendron triefnass. »Dazu braucht man keine Fantasie.«
»Wenn dem
so ist, warum lässt du es darauf ankommen?« Die Karteikarte vor Augen, die Morell
ihm in die Hand gedrückt hatte, konnte sich Sydow eines Kopfschüttelns nicht erwehren.
Klang doch das, was darauf geschrieben stand, so unwahrscheinlich, dass er minutenlang
sprachlos gewesen war. Die Sprache hatte er mittlerweile zwar wiedergewonnen, die
Fassung dagegen kaum. Wieder einmal, und das seit nunmehr 20 Jahren, war er mit
einem Fall konfrontiert worden, dessen Aufklärung ihm eine Unmenge Ärger und jede
Menge neuer Feinde bescheren würde.
Und das
war noch harmlos ausgedrückt. Wer so blauäugig war, sich mit dem BND anzulegen,
lief nicht nur Gefahr, den Kürzeren zu ziehen, sondern setzte, wie Morells Schicksal
bewies, Leib und Leben aufs Spiel. »Tut mir leid, Theo, aber mir platzt jetzt gleich
der Kragen. Mensch, Junge – bist du so naiv, oder tust du nur so? Ab sofort werden
die Herren vom BND Jagd auf dich machen, Tag und Nacht, ohne Rücksicht auf Verluste.«
»Weiß ich,
Tom, weiß ich.« Die Handflächen auf den Knien, blickte Morell stur geradeaus. »Nur
gut, dass ich darin eine gewisse Übung habe.«
»Dein Humor
in Ehren, aber ich fürchte, das wird dir nichts nützen. Du hast dich mit Leuten
angelegt, denen man besser nicht in die Quere kommt. Mit Ganoven, die ihr Handwerk
verstehen. Oder glaubst du, die werden zusehen, wenn du das Zeugs hier verscherbelst?
Ich will dir mal was sagen, mein Freund: Du kannst von Glück sagen, dass sie dir
nicht schon längst eine Kugel durch den Kopf gejagt haben.«
»Keine Sorge,
Tom. Das wird nicht passieren.«
»Da hört
sich ja wohl alles auf! Da kommt dieser Traumtänzer hinter das Staatsgeheimnis Nummer
eins und tut so, als sei nichts geschehen.« Sydow schüttelte den Kopf, kurz davor,
Morell sich selbst zu überlassen. »Ich frage mich, was du dir dabei gedacht hast,
Theo. Glaubst du, du kannst das Problem im Alleingang lösen?«
»Ich will,
dass diese Schweinerei publik wird, kapiert?«
»Und was
ist mit dir? Mensch Theo, überleg doch mal: Gegen die hast du nicht den Hauch einer
Chance.« Wütend und ratlos zugleich, hob Sydow einen Kieselstein auf und schleuderte
ihn ins Gebüsch. Inzwischen war es merklich wärmer geworden, und aus dem Unterholz,
auf das er den Blick richtete, stiegen hauchdünne Dunstschwaden empor. Die Erde,
aufgeweicht vom letzten Schauer, verströmte den Geruch von Moder, Gras und überreifen
Blüten, und wäre der Wind nicht gewesen, der in diesem Moment auffrischte, hätte
er es in seinem Anzug nicht mehr ausgehalten. »Teil eins der Tragödie: Die Verräterin
wird liquidiert. Teil zwei: Um Spuren zu verwischen, werden sowohl ihr Leichnam
als auch sämtliche Unterlagen, die sich im Besitz der Kollegen Peters und Miesbach
befinden, konfisziert, besagte Kollegen zum Schweigen vergattert. Das riecht nicht
nur nach Ärger, Theo, das stinkt buchstäblich zum Himmel. Der Tragödie dritter Teil:
Die Kollegen vom LKA, dazu auserkoren, die Dreckarbeit zu machen, werden dafür sorgen,
dass man Kroko und mir einen Maulkorb verpasst. Mit Billigung von j.w.o, damit alles
seine Richtigkeit hat.«
»Und dann?«
»Anschließend,
denke ich, werden sie sich Naujocks zur Brust nehmen und ihn zwingen, seine Fotos
rauszurücken. Auch hier, so steht zu vermuten, das gleiche Spiel: ein Verweis auf
die Schweigepflicht, gekoppelt mit der Androhung von Konsequenzen. Oder sie versuchen
es auf die sanfte Tour. Frei nach dem Motto: ›Wenn du tust, was wir von dir verlangen,
werden wir uns erkenntlich zeigen.‹ Denk doch mal nach, Theo! Wir beide wissen doch,
wie das läuft.«
»Mag sein,
du hast recht. Dumm nur, dass ich nicht der einzige Tatzeuge bin.«
»Da kann
ich dich beruhigen. Wie ich die kenne, werden sie nichts dem Zufall überlassen.
Als Erstes werden sie sich vermutlich deinen Chefredakteur vorknöpfen. Und danach
kommt der
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