Eiertanz: Roman (German Edition)
passiert war, wollte ich nicht denken.
Mit fliegenden Fingern tippte ich:
keine angst, für deinen joghurt ist gesorgt.
Fast unmittelbar danach hupte es. Was für ein wunderschöner Ton. Ich würde ihn niemals ändern.
ich meine nicht den joghurt.
was denn dann?
denk mal nach, my special agent.
Mein Herz hämmerte nicht mehr, es war kurz vor einem Riverdance. Ruhig, Georgina. Durchatmen. Männer wollen jagen. Sie wollen nicht, dass ihnen das Wild entgegenläuft. Was würde ein Reh jetzt tun? Ein vernünftiges Reh? Ich wandte mich dem Plastikspielzeug auf dem Tisch zu, versuchte, etwas zu schaffen, das wenigstens entfernt etwas mit Ordnung zu tun hatte. Konzentriert und mit Hingabe. Die für genau zwei Minuten und dreißig Sekunden vorhielt.
okay, hab ich getan, kam nicht viel dabei raus.
Herzklopfen. Hupton.
keep on trying, baby. bis später, love, mirko
Was sollte ich ihm darauf antworten, sollte ich überhaupt antworten, und was, oh mein Gott, bedeutete: love, mirko? Ich stand stumm, das Telefon an mein wild klopfendes Herz gepresst.
»Picco hot oan fahrn lassn, hehehe, Picco hot oan fahrn lassn, freili, hehehe.«
Eine Geisterstimme. Und in der Luft ein Rauschen.
Zum soundsovielten Mal an diesem Tag stieß ich einen jämmerlichen Schrei aus, das Telefon entglitt meinen zitternden Händen und fiel auf die Dielen.
Was den Papagei, der durch die offene Tür hereingeflattert war und jetzt kreischend durchs Zimmer flog, außerordentlich zu erfreuen schien. Er stieß einen anerkennenden Pfiff aus und stürzte auf mein Telefon zu. Offenbar in der Absicht zu landen. Auf meinem kostbaren iPhone mit der empfindlichen Oberfläche!
Ich hatte schneller zur Reisigrute gegriffen, als ich denken konnte.
»Hau ab, du Mistvieh, weg da, gschgschgsch!«
Der Vogel musterte mich einen Moment aufmerksam aus hellgrünen Augen, dann flatterte er auf. Nicht ohne noch einmal ein grelles »Picco hot oan fahrn lassn, freili, hehehe« auszustoßen und etwas Grauweißgrünes zu hinterlassen.
Auf Mirkos letzter SMS.
3.
G ina? Das ist ein Notfall.«
Ich saß im Bett. Um mich die Wäscheberge. Eben noch hatte ich von Papageien geträumt, grau mit einer roten Schwanzfeder, denen ich etwas zu entreißen versuchte. Jetzt, während ich mir die Augen rieb und Julia zuhörte, wurde mir klar, dass dieser Traum nur die Fortsetzung der Wirklichkeit war. Einer schrecklichen und gleichzeitig wunderbaren Wirklichkeit.
keep on trying, baby. love mirko
Was waren Küchenrollenlawinen, Autos ohne Benzin und im Haus herumfliegende verrückte Vögel schon gegen Mirkos SMS, gegen die Tatsache, dass er an mich dachte? Ich presste mein Telefon, das ich gestern einen Nachmittag lang mit den verschiedensten Putzmitteln gereinigt hatte, ans Ohr.
»Wie … wie spät ist es?«
»Nach zehn, Gina, du musst mir helfen.«
Mit überkippender Stimme verlas Julia die Katastrophenliste: den Absturz aller Computer im Büro, ein ungültiges Passwort, dringend fällige Einladungsmails an Veranstalter, Verträge, die ausgedruckt und verschickt werden mussten, aufgebrachte Presseleute, ein Clown-Walk-Act versehentlich auf einer feierlichen Ehrung statt auf einem Kindergartenfest, cholerische Veranstalter, dazu eine Unterlassungsklage für Mirko wegen Beleidigung einer Politikerin …
»Julia, stell dir vor, Mirko hat mir …«
Aber Julia ließ sich nicht unterbrechen, fügte einen nicht erschienenen Techniker hinzu, eine kranke Pressefrau, eine Chefin, die nicht zu erreichen war, weder per Handy noch am Messestand …
Im Hintergrund klingelten Telefone, Christianes Apparat, gleich darauf meiner. Zu bestimmten Zeiten wurde die Lachschmiede zum Tollhaus, niemand, noch nicht einmal ich, kam dann alleine im Büro zurecht. Jetzt wurde mir klar, warum ständig besetzt gewesen war, als ich atemlos versucht hatte, Julia die Neuigkeiten über Mirkos SMS zu überbringen. Von denen sie auch jetzt, aufgelöst und den Tränen nahe, nichts hören wollte. Ich überließ ihr die Presseleute und die Computerhotline, versprach ihr, mich um alles andere zu kümmern und mich wieder zu melden, und legte auf. Vorsichtig schlug ich die Decke zurück, setzte einen Fuß auf den Boden, dann den anderen, hievte mich hoch. Ich spürte jeden einzelnen Muskel meines Körpers. Sogar in den Zehen hatte ich Muskelkater. Nach stundenlanger, erfolgloser Papageienjagd, nicht minder erfolglosem Räumen und einem ebenso erfolglosen Telefongespräch mit der Taxizentrale der nächsten Kreisstadt war
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