Eiertanz: Roman (German Edition)
duschte ich das zweite Mal an diesem Tag und zog mich um. Mit dem Instant-Latte und einem Becher Milchreis light schlenderte ich ins große Zimmer. Ohne die glotzende Maske eines Blickes zu würdigen, fegte ich grellbunten Plastikkrimskrams von dem niedrigen Tisch vor dem Kamin und ließ mich im Sessel zu meinem hart erkämpften Frühstück nieder. Inzwischen schien eine helle Vormittagssonne ins Zimmer, beleuchtete die bleichen Laken, die Sessel und Sofa bedeckten. Und einen hohen Gegenstand auf einem Tischchen neben dem Kamin. Etwas Ovales mit einer Kuppel. Dort, wo das Tuch verrutscht war, schimmerte etwas: Käfigstäbe?
Ich trank den letzten Schluck meines Latte, stand auf und zog das Laken herunter. Der Vogelkäfig war leer. Weit offen seine Tür. Auf den Sägespänen am Boden lagen Sonnenblumenkerne zwischen Legosteinen und kleinen Bauklötzen, die Stangen waren grauweiß bekleckst. Ebenso wie das Tischchen, auf dem der Käfig stand. Und die Holzdielen des Zimmers. Die einfallende Vormittagssonne brachte die grün schillernde Mitte der grauweißen Kleckse besonders gut zur Geltung. Noch nie hatte ich Vogelkot so gründlich betrachtet. Oder versucht, Vogelkot aufzuwischen, mit dem betagten Wischmopp aus dem Bad, der noch aus der Zeit vor meiner Geburt stammen musste, und unter Einsatz der verschiedensten Flaschen und Tuben aus dem Putzmittelsortiment der Küche. Je verbissener ich an den klebrigen Klecksen herumschrubbte, desto klarer wurde mir der Sinn der ausgebreiteten Zeitungen auf dem Boden. Wütend rammte ich den Mopp in den Eimer und sah mich zum hundertsten Mal nach dem Urheber der Flecken um. Auf keinen Fall, auch, wenn ich in einem kindischen Winkel meiner selbst so etwas hoffte, konnten sie von einem Kanarienvogel stammen. Selbst dann nicht, wenn man ihm einen phänomenalen Stoffwechsel unterstellte. Leicht beunruhigt dachte ich an die nächtlichen Urwaldlaute, den langgezogenen Schrei von eben und schrie selbst auf, als es unmittelbar neben mir hupte. Noch während ich nach meinem iPhone tastete, nahm ich mir vor, einen weniger aufdringlichen Ton für eingehende SMS auszuwählen. Und vergaß es sogleich wieder, als ich die Botschaft las:
wo treibst du dich herum?? ich will dir die princess-loge für heute abend reservieren lassen, und du bist nicht im büro. lg mirko
Ich sank auf den Schaukelstuhl neben dem bekleckerten Tischchen. Etwas unter mir knirschte. Aber darauf konnte ich jetzt nicht achten. Langsam las ich noch einmal. Mein Herz hämmerte. Mit zitternden Fingern tippte ich die Antwort.
lieber mirko, es ist wahnsinnig toll, dass du an mich gedacht hast. du weißt gar nicht, wie sehr ich mich auf heute abend gefreut habe.
Ich hatte mir für Mirkos Auftritt in Köln extra eine neue, helle Diesel-Jeans gekauft, lässig hatte ich aussehen wollen, gleichzeitig sexy. Während ich weitertippte, schickte ich ein Dankgebet an meinen persönlichen Schutzengel, dafür, dass Mirko mich nicht sehen konnte, hier in diesem beklecksten Zimmer, in Leggins und Regenmantel.
aber chris hat mich nach bayern geschickt, ausgerechnet jetzt. sie hat nicht mit sich reden lassen, dabei habe ich sie förmlich angefleht, es hätte mir soo viel bedeutet, heute dabei zu sein. ich denke die ganze zeit an dich. ehrlich gesagt, ich denke schon ganz lange an dich. falls du dich jemals gefragt hast, warum in deiner garderobe so oft eine einzelne blume in einer vase steht, immer in weiß, ist dir das aufgefallen?? dann könnte ich dir diese frage
Der kühle Warnton, der mir ankündigte, dass ich die Länge einer SMS überschritten hatte, brachte mich zur Vernunft. Ich löschte alles, begann von vorn.
hallo mirko, bedaure es sehr, dass ich nicht kommen kann, chris hat mich auf geheime und wichtige mission geschickt. aber ich denk an dich und wünsch dir good luck, vg special agent gina
Ich drückte auf Senden und stand auf. War: ich denk an dich nicht doch eine Spur zu uncool? Und jetzt? Würde er mir antworten? Auf dem Stuhl lag ein zerdrücktes Förmchen aus Plastik. Knallgelb. Ich nahm es, legte es zu dem Rest grellfarbigen Plastikspielzeug, mit dem der Tisch bedeckt war. Wieder der Hupton. Endlich.
special agent, what if i miss you?
Wie bitte? Bei der Agenturfeier vor zwei Monaten hatte Mirko mich kaum beachtet. Obwohl ich alles versucht hatte, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Nachher, als Christianes Freund Ralli mich nach Hause fuhr, hatte ich die Tränen nicht mehr unterdrücken können. Und an das, was dann
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