Eiertanz: Roman (German Edition)
Wappen. Oans, zwoa, gsuffa, war in goldenen Lettern darauf gedruckt und darunter: Franzi, 2011. Ich hatte Zeit, das Wappen genau zu betrachten, jede einzelne Raute zu zählen, während sich die Startseite des Browsers aufbaute, bedächtig, in beinahe meditativer Ruhe. Ob hier das Logo von Google vielleicht mit weißblauen Rauten verziert sein würde und der Rechner deshalb so lange brauchte? Ob zwischen diesen Rauten Alpenblumen ranken würden, in kunstvollen Ornamenten, Enzian und Edelweiß, ob vielleicht ein bayerisches Wappen … Endlich. Ich gab die Admin-Adresse unserer Agentur ein. Worauf der Rechner beschloss, erst seine Lüftung, dann den Bildschirmschoner anzuschalten und eine kleine Pause einzulegen. Hektisch drückte ich auf allen möglichen Tasten herum, bis der Computer sich bequemte, mit einem Seufzen wieder hochzufahren. Leider ohne die Startseite des Browsers zu zeigen, die ich anscheinend durch mein Herumdrücken geschlossen hatte. Nach einer weiteren halben Stunde, drei erneuten Zusammenbrüchen und einem zweiten, mit Thereses Erlaubnis gebrühten Latte, landete ich endlich auf der Seite der Lachschmiede. Hinter mir Schritte. Flohs Gebell. Die Stimme seines Besitzers. Wie hatte Therese ihn genannt? Quirin? Er blieb hinter meinem Stuhl stehen, sah zu, wie sich die Seite in quälender Langsamkeit aufbaute. Einen High-Speed-Zugang gebe es nur in der Kreisstadt, sagte er. Mit einem, wie mir schien, schadenfrohen Lächeln. Grimmig wandte ich mich wieder dem Rechner zu, der sich schnaufend abmühte, Mirkos Foto Pixel für Pixel herzustellen, und überließ Quirin der lamentierenden Therese. Die ihn mit Fragen traktierte: Was er teifinoamoi getan hatte, dass diese Susn weggelaufen war? Was sie zum Kruzifix jetzt machen solle? Ich versuchte, ihre Stimmen auszublenden, klickte den vertrauten Button Verträge an. Und sah ergeben zu, wie sich ein Pfeil unter der Aufschrift »wird geladen« unendlich langsam im Kreis drehte. Ein Hupton riss mich aus meiner Meditation.
special agent, was macht die geheime mission? worum geht’s eigentlich, oder ist es zu top secret? love, mirko (der geheimnisse und agenten unglaublich aufregend findet, besonders agentinnen)
Um ein Haar hätte ich mich an meinem Latte verschluckt. Ich las die Botschaft noch einmal, dann ein weiteres Mal und schreckte auf, als jemand mir auf die Schulter klopfte.
»Nur amoi neischlupfa«, sagte Therese. Ich drehte mich um.
Was sie mir hinhielt, war zweifellos ein Dirndl. Wenn auch ohne Schürze. In hellem Braun. Es war aus Leder. Aus weichem Wildleder.
»Nur ganz fix. Ich muss eh glei wieder zu den Viechern.«
»Therese, lass sie da raus. Und du weißt, was ich von diesem Quatsch mit den Kühen halte …«
Quirin hatte sich umgezogen, trug jetzt ein weißes Hemd mit Trachtenstickerei, dazu die lange Hose aus Hirschleder für zweihundertachtundneunzig, und Therese zupfte an ihm herum, steckte seine Hemdsärmel ab.
»A geh, Quirin, alten Kühen duads guad, wenns noch amoi braucht werden. Wer soll das besser wissn wia i? Schau, sie hat genau die Figur.«
Therese knöpfte das bestickte Oberteil auf, dann den Rock. Es schien ihr nicht in den Sinn zu kommen, dass ich nicht vorhatte, mich auszuziehen. Es schien auch sonst niemandem in den Sinn zu kommen, dass man sich Therese widersetzen könnte. Noch nicht einmal Floh. Der sich weggedreht hatte. Gleichzeitig mit seinem Herrchen. Wie kamen sie nur darauf, dass ich freiwillig ein Dirndl anziehen würde? War ich Heidi? Therese hielt mir noch einmal auffordernd das Kleid hin. Eine Mischung aus Landhausstil, Cowgirl-Outfit und Tracht. Bei näherem Hinsehen noch nicht einmal so schlecht. Hatte Julia nicht kürzlich in einer Zeitschrift geblättert und gesagt, dass aufgepeppte Trachtenmode gerade im Kommen war? Aber ich hatte zu tun. Ich hatte auf das Laden einer hochwichtigen Seite zu warten und eine SMS zu beantworten. Mit fliegenden Fingern und leicht genervt von Thereses Blicken und dem stummen Warten von Herrchen und Hund tippte ich:
wir lösen hier family affairs. wahnsinnig aufregend.
Und dann traute ich mich:
love, secret agent
Ging ich zu weit? War ich noch Reh-like genug? Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, schickte ich die SMS ab.
»Mei, es is ein Einzelstück« sagte Therese.
»A Rehlederdirndl.«
»R… äh, Reh leder?«
Therese nickte strahlend. »Der letzte Schrei, sitzt dir wie angegossen, da wett i drauf.«
Vielleicht wäre es einfacher, zu gehorchen und
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