Eiertanz: Roman (German Edition)
so …«
»Liab, ich doch auch nicht«, murmelte er, küsste in aller Ruhe und quälenden Langsamkeit meine Halsbeuge. Um dann mit einem bedauernden Seufzer aufzustehen und zwischen Schminkkästen, Fächern und Nageletuis der letzen fünfzig Jahre herumzusuchen. Er hatte Hemd und Müllsacklendenschurz ausgezogen, trug nichts als einen glänzend schwarzen Neoprenanzug, der im Schritt fast platzte, und es schien ihm vollkommen egal zu sein, dass er über und über mit Bananenaufkleberchen übersät war.
»Soll ich?« Das amüsierte Zucken in seinen Mundwinkeln, als er die Nagelschere hochhielt. Die feinen Lachfältchen um seine Augen.
Ich legte die Arme um seinen Hals, und auf einmal wusste ich, dass uns nichts passieren würde.
Dachbalken. Eberköpfe. Auf dem Boden ein zerknüllter Neoprenanzug. Und ein zerschnittenes Kondomdirndl. Ich hoffte, Julia würde mir die Schnitte entlang ihrer Naht, trotz aller Ungeduld von Quirin so vorsichtig wie möglich ausgeführt, verzeihen. Und auch, dass eins der eingerollten Präserln fehlte.
Von unten Stimmen und Musik, nicht mehr Nat Wildmosers Chor, sondern Oldies aus den Achtzigern. Wir lagen auf dem Kunstfell mit dem Bärenkopf, und während Quirin mich über Mirko ausfragte und mir den Rest von Susns Geschichte erzählte, klaubte ich Bananenaufkleberchen von seinem Körper. Susn, sagte Quirin, habe noch während ihrer Nacht mit Strobl erkannt, dass sie ihren Freund über alles liebe. Was mich nicht weiter erstaunte. Ob sie wohl auch Bekanntschaft mit seinen Eiffelturmsocken gemacht hatte? Anscheinend hatte sie Quirin davon nichts erzählt. Er sei, erklärte Quirin, verdammt wütend gewesen, wie konnte sie nur auf diesen Blender hereinfallen? Sie habe nur noch zu ihrem Freund gewollt, und er selbst habe sie trotz seiner Wut zum Bahnhof gefahren, obwohl er wusste, dass Therese an der Decke kleben würde. Er unterbrach seinen Bericht, um jede meiner Fingerspitzen einzeln zu küssen, vielleicht, um mich davon abzuhalten, weitere Aufkleberchen von seiner Brust abzuziehen.
Susn, erzählte er, sei nicht nur geflüchtet, um sich mit ihrem Freund zu versöhnen, sie liege auch im Dauerclinch mit ihrer Mutter. Kein Wunder, nicht jeder habe eine Mutter, die sich vor Häusern ankette.
Ob sie tatsächlich das Testament gesucht hätten, fragte ich und dachte flüchtig darüber nach, dass ich nicht gewusst hatte, wie schwer es war, aus einem engen Neoprenanzug herauszukommen und wo überall Bananenaufkleberchen haften konnten. Und dass all dies kein bisschen katastrophal war.
»Ich glaub fast, Therese hat meinen Vater tatsächlich dazu gebracht, ja. Was sie damit vorgehabt hat, will ich lieber nicht wissen. Die Frauen in unserer Familie san halt impulsiv, handeln, bevor sie denken, und trotzdem wird gemacht, was sie sagen.«
»Dann müsstet ihr eigentlich gut mit Christiane auskommen.«
Ich pflückte ein weiteres Aufkleberchen ab, diesmal von seinem Bauch. »A1 Colombia« stand darauf.
»Mein Vater balzt ja schon wie tausend notgeile Pfauen um sie herum. Und dann läuft er einfach weg, der gscherte Hund, ich muss ihm hinterhertelefonieren und krieg ihn ned an den Apparat, und mei … bin ganz allein mit dem Schlamassel und muss mich noch dauernd fragen, warum Frau Zuhlau so wütend auf mich ist.«
»Worüber habt ihr eigentlich geredet? Deine … Cousine und du? Auf dem Uferweg?«
»Willst du es wirklich wissen?« Seine Hände in meinem Nacken spielten mit einer Strähne, die mir die Nail-Art-Metzgerin gnädig gelassen hatte. »Über dich. Darüber, dass ich schrecklich in dich verknallt bin und dass es der blödeste Zeitpunkt ist, es dir zu sagen, und was ich verdammt noch mal tun soll.« Weiter wanderten die Hände, über meinen Rücken, und ich vergaß, was ich noch fragen wollte: Ob sein Vater etwa mit Christiane zusammen gewesen war, etwa in einem Lokal, wo es Weinbergschnecken gab und französische Musik lief? Und ob das Ganze nicht ungeheuerlich war?
Dass ich auch schrecklich verliebt in ihn sei, war alles, was ich herausbrachte. Verlegen und etwas zu grob entfernte ich das Aufkleberchen einer Eldorado-Tabasco-Premium-Banane aus Costa Rica, küsste nach seinem Schmerzensruf die malträtierte Stelle, und danach redeten wir nicht mehr viel. Zwischendurch glaubte ich, Schritte auf der Treppe zu hören, die quietschende Tür zur zweiten Dachkammer, ein Rumpeln, ein Schaben, aber ich achtete nicht weiter darauf.
Als wir herunterkamen, war das Haus nicht mehr von
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