Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifel-Blues

Eifel-Blues

Titel: Eifel-Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
jemand vor, Elsa nahm den Vorhang zur Seite. »Es ist Naumann. Und ein Krankenwagen.«
    Ich versuchte mich aufzurichten, aber es ging nicht. »Ohne meine Einwilligung läuft da nichts.«
    »Stell dich nicht an. Er ist ein guter Mann, er sorgt sich um dich.«
    »Ach, hör auf. Sag ihm, er soll samt seinem Krankenwagen abhauen.«
    Der Arzt kam allein herein. »Ich werde Sie fürstlich belohnen, wenn Sie sich einen Gefallen tun: Lassen Sie sich schnell zur Klinik in Gerolstein fahren. Nur röntgen. Ich betone: Es ist kein Trick dabei, nur röntgen.«
    »Was ist die Belohnung?«
    »Ich komme gegen Abend und bringe sie Ihnen.« Er war ganz ernst und in Gedanken versunken. Die beiden jungen Männer mit der Bahre versuchten mich zu schonen, aber auf der steilen, engen Treppe rutschte ich ihnen ab, schlug mit der Schulter gegen das Geländer und wurde ohnmächtig. Im Krankenhaus behauptete der eine von ihnen empört, meine Katze hätte ihm die Pfote in die Wade geschlagen. Aber ich glaubte ihm nicht.
    Es ist erstaunlich, in welche Positionen Röntgenologen den menschlichen Körper bringen können. Sie bogen mich, sie winkelten mich, sie legten mich in Falten. Wenn ich vor Schmerzen schrie, sagten sie zufrieden, das sei prima so, denn offensichtlich funktioniere ich noch richtig. Sie kamen nach langer Konferenz überein, daß ich innerlich intakt sei, nickten ernst, wünschten mir gute Besserung und übergaben mich wieder den beiden jungen Männern.
    Ich weigerte mich, erneut die Treppe hinaufgeschleppt zu werden, sie verfrachteten mich auf das Sofa, und ich hatte ein verdammt gutes Gefühl, neben dem Telefon zu liegen.
    Elsa setzte sich zu mir und legte mir ein feuchtes Tuch auf die Stirn. »Erzähl mir die Geschichte«, murmelte sie. »Es ist schlimm, dich anschauen zu müssen und keine Ahnung zu haben, was gespielt wird.«
    Ich erzählte ihr alles, aber es machte keinen sonderlichen Eindruck auf sie. »Sicher«, sagte sie nur, »das ist eine Geschichte, die paßt. Die paßt in dieses Land. Und was willst du jetzt tun?«
    »Ich weiß es nicht, zunächst kann ich gar nichts tun. Die am Depot haben Angst, das ist klar. Sie haben die Hosen voll. Sie haben Angst, daß wir etwas erfahren, und alles wissen sie selbst nicht, denn sonst wären sie nicht so aggressiv. Egal, wo ich anklopfe, egal, wo ich anfange, ich werde wahrscheinlich auf die eine oder andere Art immer verprügelt werden. Oder sie stecken mich einfach in den Knast. Das können sie mit Staatssicherheit begründen, und niemand wird ihnen widersprechen. Du solltest abhauen.«
    »Kommt nicht in Frage. Alfred hat keine Zeit, auf dich aufzupassen. Naumann hat gesagt, es wird drei bis vier Tage dauern, ehe du überhaupt kriechen kannst.« Sie kramte in der Apotheken-Plastiktüte. »Du sollst in diese Becher pinkeln. Und groß sollst du in diese Pfanne machen. Du darfst nicht aufstehen. Den Urin muß ich in Naumanns Praxis bringen.«
    »Ich werde jede Verdauung verweigern.«
    Sie lachte und sah richtig glücklich aus. »Ich hatte vor ein paar Tagen einen Flug nach Griechenland gebucht, weil ich dachte, du wirst dich schofel anstellen. Aber jetzt habe ich storniert, weil du dich nicht wehren kannst.«
    Ich mußte grinsen, und es tat weh. »Ich werde dich nicht heiraten.«
    »Oh, das will ich nicht. Glück ist begrenzt«, sagte sie leicht. »Heiraten ist mir ein paar Nummern zu groß. Versorgen kann ich mich selbst.«
    Mir fiel plötzlich auf, daß ich recht wenig von ihr wußte. Was ich wußte, hatte ich in der Redaktion erfahren, nebenbei und ungefragt. Es gab einige Kollegen, die hinter ihr her waren wie der Teufel hinter der armen Seele. Sie war eine leise, sanfte Person, rund einhundertsechzig Zentimeter groß, sehr schlank, mit einem ovalen, fraulichen Gesicht, halblangen Haaren, in denen ungefärbt silberne Strähnen schimmerten.
    Nur selten wurde sie laut, und selbst Beschimpfungen flüsterte sie sicherheitshalber, was aber die Beschimpfung nur schlimmer und eindringlicher machte. Angeblich war sie einmal verheiratet gewesen, angeblich hatte sie keinen Freund, angeblich lebte sie ganz allein, angeblich war sie Mitte Dreißig, angeblich mochte sie Männer nicht sonderlich, nahm sie hin, hatte angeblich auch nichts mit Frauen, angeblich, angeblich, angeblich. Sie hatte ein paar hervorragende subtile Reportagen gemacht, und ihre Schreibe war sehr suchend, sanft und niemals schrill. Wir hatten miteinander geschlafen wie zwei Inseln, die zusammengetrieben werden, um sich

Weitere Kostenlose Bücher