Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifel-Blues

Eifel-Blues

Titel: Eifel-Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
nicht, daß man sich einmischt. Und Messner ist mächtig.« Er seufzte. »Es ist nämlich so: Ich habe die Toten fotografiert. Mit Polaroid.«
    Da war es ganz still im Haus, nur ein paar Fliegen summten, und Krümel auf meinem Bauch seufzte lang und wohlig und streckte die Pfoten nach vorn.
    Der Arzt fuhr fort: »Es war die Nacht von Sonntag auf Montag in der Woche vor Pfingsten. Die Tatzeit muß nach meinen Erkenntnissen ziemlich genau um Mitternacht liegen, weil...«
    »Nicht so schnell«, sagte ich hastig. »Warum um Mitternacht?«
    »Das hat etwas mit dem Zustand des Blutes zu tun, und da gab es viel Blut, obwohl es in Strömen gegossen hatte. Als ich dort war und meine Untersuchungen aufnahm, war es etwa acht Uhr. Trotzdem konnte ich bei beiden Leichen im Jeep massive Blutklumpen finden. Und der Zustand läßt ziemlich präzise Schlüsse zu. Es müssen etwa acht bis neun Stunden seit der Tat vergangen sein, also war es Mitternacht oder 23 Uhr. Wir haben ...«
    »Verdammt, nicht so schnell. Elsa! Bitte, Elsa!«
    Sie kam herein, und ich sagte: »Ich will, daß du das alles genau mitkriegst. Bitte, bleib hier.«
    Sie setzte sich und fragte: »Mitschreiben?«
    »Nein. Auswendig lernen. Doktor, hat es noch geregnet, als Sie am Tatort ankamen?«
    »Als ich am Tatort war, hat es nicht geregnet. Ich habe übrigens mit dem Wetteramt in Trier sehr genau abklären können, wann der Regen einsetzte und wann er aufhörte. Es begann am Sonntag abend um 20 Uhr zu regnen und hörte etwa am Montag morgen gegen fünf Uhr auf. Dauerregen.«
    »Wie sah denn dieser Tatort aus?« fragte Elsa. Sie sah Naumann nicht an, sie starrte auf den Fußboden. Das tat sie immer, wenn sie sich konzentrierte, und ich konnte sicher sein, daß sie mühelos fast Wort für Wort einer langen Erzählung noch nach Tagen wiederholen konnte.
    »Also: Aus dem Depot heraus führt eine schmale Asphaltstraße zur Bundesstraße. Ungefähr zweitausend Meter lang, würde ich schätzen. Sie steigt langsam an. Etwa dreihundert Meter vom Tor des Depots entfernt führt nach links ein Waldweg in ein Gehölz. Buchen, sehr hohe Stämme rechts, Ginster, Birken und Erlen links. Dieser Weg ist der Tatort. Und zwar ziemlich genau hundert Meter von der Straße entfernt. Der Jeep stand offen auf dem Weg ...«
    »Offen?« fragte ich.
    »Ja, das ist verrückt, ich weiß. Der Jeep war offen, er war bei dem Regen eine Art Badewanne. Der Mann saß links am Steuer, die Frau neben ihm. Beide hatten keine Köpfe mehr, oder nur noch sehr wenig davon ...«
    »Sind die in diesem Jeep erschossen worden?« fragte Elsa.
    »Das kann ich nicht beschwören, aber ich würde sagen, daß die Waffenlage, wie Kriminalisten das zuweilen nennen, den Todesschuß im Jeep ausschließt. Sehen Sie: Eine Schrotflinte ist relativ lang, und die Hintersitze eines Jeeps sind schmal wie ein Brett. Außerdem habe ich neben dem Wagen wohl die Stelle gefunden, wo die beiden erschossen wurden: von hinten. Sie sind erst danach in den Wagen gesetzt worden. Als ich ankam, waren etwa achtzig Menschen dort. Es waren drei Hubschrauber des Heeres aus Bonn gekommen. Alles Leute in Zivil. Vom MAD, vom Verfassungsschutz und vom BND. Zu diesem Zeitpunkt war der Tatort, also der Jeep, nicht einmal abgesperrt. Die Soldaten liefen herum wie aufgescheuchte Hühner, sie trampelten buchstäblich herum. Und einige von ihnen fotografierten wie Touristen. Niemand hat darauf geachtet, daß ich auch fotografierte. Außerdem hat jeder mich für einen Geheimdienstler gehalten, denn ich fotografierte und trug bestimmte Spuren und Körperzustände der Ermordeten in eine Liste ein. Das sieht amtlich aus. Ich sage Ihnen, Baumeister: Wenn jemand bei der Bundeswehr erfährt, daß Sie die Fotos und die Personalien und die Todesursache und die wahrscheinliche Tatwaffe haben, dann werden Sie nicht verprügelt, dann schickt Sie jeder Bundesermittlungsrichter ohne Übergang in den Bau. Und mich mit Ihnen.«
    »Warum geben Sie das alles raus?«
    »Weil ich diese Methoden hasse, weil mir das nach Faschismus stinkt, weil ...« Er wedelte ein wenig hilflos mit den Armen. »Ich habe nachgedacht. Ich habe ein paar Ihrer Geschichten gelesen. Sie fangen doch jetzt erst an, ich kann Sie nicht aufhalten. Und Sie würden auch erfahren, daß ich die Totenscheine ausgestellt habe, oder?«
    »Ja. Aber Sie riskieren Ihre Existenz.«
    »Ich weiß das«, sagte er. »Ich habe darüber nachgedacht, was geschehen wäre, wenn Messner Sie totgeschlagen hätte ... Nichts

Weitere Kostenlose Bücher