Eifel-Feuer
immer ein Problem.«
Er sah mich wieder an, nickte. »Ich dachte schon, Sie wären so was wie ein Kegelbruder von dem Mann. Mein Sohn hatte ja den Auftrag, den General ständig im Auge zu behalten. Er baute das Netz auf, so daß wirklich nichts mehr passieren konnte. Ja, ja, der war wirklich ein Problem. Was soll's. Das hat sich jetzt alles erledigt. Irgendein Irrer hat den General erledigt, und mein Sohn ist verunglückt. Die Toten kommen nicht wieder, die kommen niemals wieder.«
Meier auch nicht, dachte ich automatisch.
»Ich muß weiter«, sagte ich. »Ich habe noch viel zu tun. Vielleicht können wir irgendwann weitersprechen. Über Carlo, meine ich.«
»Wenn das ginge, das wäre schön«, sagte er. Mechernich neigte demutsvoll den Kopf, schniefte und begann lautlos zu weinen.
Ich ging nur hundert Meter weiter zwischen den Erdwällen entlang. Dann wählte ich Herterichs Nummer. »Ich brauche meinen Freund Rodenstock«, bat ich.
»Ja? Warst du erfolgreich?«
»Ein bißchen zuviel Erfolg«, sagte ich hastig. »Meine Welt steht Kopf, Carlo war kein harmloser Naturfreak und kein gestörtes Kind. Nach Ansicht seines Vaters hatte er den Auftrag, den General zu überwachen. Ich verstehe nichts mehr.«
»Beruhige dich«, erwiderte Rodenstock. »Wenn Geheimdienste mitspielen, lauert an jeder scharfen Ecke ein Bluff, eine Lüge, eine komische Sache. Ich kenne mich da aus, glaub mir. Von Frau Herterich ist nichts zu erwarten. Aber eines ist ganz wichtig: Sie waren Brüder im Geiste, der Herterich und der General. Und noch etwas: Herterich, das war abgesprochen mit allen Parteien in Bonn, sollte nach seiner Rückkehr Chef des BND werden ...«
»Der dicke Meier vom BND ist tot. Umgebracht. Eine Salve. Genauso wie der General.«
»Wie bitte?« fragte er schrill. »Jetzt verstehe ich deine Verwirrung. Wir sehen uns in Brück. Was machst du jetzt?«
»Ich weiß es nicht genau. Eigentlich müßte ich diese kleine Nutte auftreiben. Die in Godesberg, die sich um Carlo gekümmert hat.«
»Dann tu das«, sagte er. »Wir müssen nicht neue Spuren aufreißen, sondern alte Spuren nach Möglichkeit eliminieren. Wir brauchen sozusagen ein freies Arbeitsfeld.«
»Ja, ja«, seufzte ich und unterbrach die Verbindung. Das Ekelhafte an Rodenstock war, daß er nie die Ruhe verlor und immer einen klugen Satz auf Lager hatte, der in der Regel Mehrarbeit bedeutete.
Ich rief in der Redaktion des Spiegel an. »Hallo, eine Information, die ihr wahrscheinlich gleich von dpa bekommt: Der Meier, der bisher die Untersuchung des Todes von General Ravenstein leitete und mit aller Sicherheit vom BND ist, wurde heute morgen erschossen. Und zwar mit einer ganz ähnlichen Waffe oder derselben wie Otmar Ravenstein. Auch hier wieder mindestens zwei Salven, mindestens dreißig bis vierzig Einschüsse. Direkt hinter der Ruine des Jagdhauses. Keinerlei Spuren, keine Geschoßhülsen...«
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?« fragte Sibelius aggressiv.
»Nicht die Spur, Sir. Das ist der Sachstand. Dann noch etwas. Es gibt Anzeichen dafür, daß wir den Fall aus einer ganz anderen Perspektive betrachten müssen als bisher. Aber es ist zu früh, darüber zu reden. Was ist mit Heiko Schüller?«
»Der Mann hat eine Karriere hinter sich, die sich im Grunde von denen anderer durch nichts unterscheidet. Vater in der Textilbranche als Meister und sehr engagiert in der Gewerkschaftsarbeit. Der Junge folgte dem Vater. Mitglied der Jusos, sehr aufmüpfig, wird aber schnell ruhiggestellt, weil die Partei bekanntlich Ruhe will und nichts als Ruhe.« Sibelius lachte. »Der Junge heiratet früh und wird sehr schnell wieder geschieden. Keine Kinder aus dieser ersten Ehe. Er bewegt sich etwa fünf Jahre als Junggeselle. Fünf sehr lebhafte Jahre, um es vorsichtig auszudrücken. Er steigt in dieser Periode tief in die lokale Politik ein, wird Mitglied des Rates der Stadt, dann nominiert für den Landtag Nordrhein-Westfalens in Düsseldorf. Jetzt beginnt er sich zu mausern. Zunächst macht er sich zum Wehrspezialisten. Auf dem Sektor Bundeswehr ist dem Mann nichts mehr beizubringen, da ist er echt Spitze. Er heiratet zum zweitenmal. Aus dieser Ehe zwei Kinder, zwei Töchter, jetzt acht und elf Jahre alt. Die Frau hat er bei den Jusos kennengelernt. Aus der Anfangszeit dieser Ehe gibt es den Spruch dieses Mannes, daß ihn vor allem eines mit seiner Frau verbinde: die scharf ausgeprägte Lust, sich Lust zu machen. Für solche Sprüche war er sein Leben lang gut. Mit
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