Eifel-Feuer
anderen Worten, er ist ein heilloser Macho und hatte niemals die Absicht, etwas anderes zu sein. Der Punkt, auf den Sie wahrscheinlich warten, kommt jetzt.«
»Langsam, langsam. Wie sieht er aus?«
»Eigentlich windschnittig mit einem angenehmen CW-Wert. So ein ähnlicher Typ wie Niedersachsens Schröder. Seine Lieblingsfloskel ist: Machen wir uns nix vor, die Wahrheit sieht doch so aus ... Auf dem Foto hier hat er dunkle, elegant geschnittene Haare, trägt einen teuren Trenchcoat über einem teuren Anzug und englische Schuhe. Er sieht immer ein bißchen wie ein James-Bond-Verschnitt aus.«
»Wann hat er denn die Aufmüpfigkeit verloren?« »Im Grunde wie alle diese Jungens sehr früh. Am Ende seines Daseins als Ratsherr in Krefeld hat er dauernd betont, er würde der SPD raten, sich schleunigst zu bewegen, mehr in die Verantwortung zu gehen. Er hat die Genossen Scharping und Oskar Lafontaine als ziemlich dicke Sitzärsche bezeichnet, was eigentlich nicht viel heißen will. Aber er hat in einer unangenehmen Sache, der Abschiebung einer Kurdenfamilie, für die Abschiebung gesprochen. Bei einem CDU-Mann würde ich das nicht verwunderlich nennen, bei einem FDP-Mann erst recht nicht. Aber dieser SPD-Mensch namens Schüller hatte bis dato ständig die Menschenrechte im Maul. Insofern war es denkwürdig. Im Landtag in Düsseldorf, das weiß unser zuständiges Büro genau, hatte er Affären mit jungen Frauen. Mit Sicherheit drei, die Dunkelziffer ist hoch. Jetzt bahnt sich ein Wandel an, der eigentlich von der Sache her ganz logisch ist. Er driftet weit nach rechts und stößt zunächst auf so gut wie keine Gegenwehr, was für den Zustand der Partei symptomatisch ist. Und er weitet sein Spezialgebiet Bundeswehr aus. Er konzentriert sich auf Geheimdienste. Als er zum erstenmal für den Bundestag kandidierte und die Wahl gewann, kam er als echter Geheimdienstspezialist in Bonn an. Inzwischen ist er dermaßen fit auf diesem Sektor, daß sogar die Bundesregierung im Zweifel anfragen läßt, was er denn von diesem oder jenem Problem halte. Ja, das ist vorläufig alles. Mehr wissen wir noch nicht.«
Ich bedankte mich artig und machte mich auf den Weg zu meinem Auto, und selbstverständlich schimpfte ich mich einen Idioten. Denn wie kann ein vernünftiger Mensch in den heißesten Mittagsstunden eine Prostituierte ausfindig machen, deren Mitwirkung in diesem Spiel bestenfalls marginal sein konnte? In einem Punkt hatte Rodenstock allerdings recht: In jedem verwickelten Fall – auch und gerade bei journalistischen Recherchen – wirkt es Wunder, alle Spuren, die falsch sind, aus dem Spiel zu werfen. Trotz solcher weisen Erkenntnis hätte ich lieber in meinem Garten neben der Brücker Kirche gehockt, den Schmetterlingen zugeschaut und meine Katzen gekrault oder mit meinem Nachbarn Latten über meinen Gartenteich geschwätzt, weil Latten etwas hat, das bei mir nur rudimentär vorhanden ist: technisches Verständnis.
Aber alle diese Gedanken über das, was man eigentlich viel lieber täte, nutzten nur wenig. Zwei Fragen beschäftigten mich: Wofür sollte Carlo, der angeblich den General überwacht hatte, einen Orden bekommen? Frage Nummer zwei: Wer konnte in diesem trüben Spiel ein Interesse daran haben, den BND-Meier zu töten?
Also fuhr ich in der grellen Mittagssonne das Ahrtal hinunter Richtung Bonn. In Meckenheim ging es auf die Landstraße, die durch das Tal des Godesberger Baches führt, vorbei an dem Ort, der den merkwürdigen Namen Villiprott führt.
Die Kneipe Zum alten Hof an der B 9 war einfach zu finden, die gesuchte Marion Kupisch, ihres Zeichens Prostituierte, nicht.
»Die macht Pause bis abends«, muffelte der Wirt.
Seine Kneipe war eine durchaus gelungene Mischung aus deutschem Steakhouse, Löwenbräu-Keller und einschlägigem Etablissement der schäbigen Sorte. Und damit die Abgeordneten aus Ostfriesland sich nicht übergangen fühlten, hatte er an die Decke ein Fischernetz mit Seesternen und einer kleinen Krake aus Plastik geklemmt. Im wesentlichen pries er Jäger Schnitzel, Zigeunerschnitzel, Eisbein mit Sauerkraut und Original rheinischen Sauerbraten mit Rotkohl und Klößen an, und er selbst sah durchaus so aus: füllig bis fett mit einem Kaiser-Wilhelm-Schnäuzer.
»Ich brauche die Marion aber jetzt«, sagte ich. »Wo wohnt sie denn?«
»Ich weiß nicht«, behauptete er. »Die Wohnungen meiner Angestellten interessieren mich nicht.«
»Aber ihre Telefonnummer haben Sie doch, oder?«
»Habe ich
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