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Eifel-Filz

Eifel-Filz

Titel: Eifel-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Berndorf
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identifizierenden Geräusche. Dann gab er Gas und verschwand. Ich war sehr müde.
    Die Wunde schmerzte gleichmäßig scharf, und allmählich konnte ich die Augen öffnen und durch die Frontscheibe in den wabernden Nebel sehen. Ich drückte das Band mit Nina Simone ein, und sie tönte tröstlich in die Stille. Aus irgendeinem Grund mußte ich weinen, und es machte keinen Sinn, sich zu wehren.
    Zuerst traf Tom mit Rodenstock und Dinah ein.
    »Bleiben Sie liegen, bleiben Sie liegen«, sagte Rodenstock schnell. »Wo ist der Tote?«
    »Rechts im Graben.«
    »Du bist verrückt«, schluchzte Dinah. »Warum fährst du denn allein durch die Gegend?«
    »Weil ich immer allein durch die Gegend fahre«, erwiderte ich.
    »Ich kenne den Mann nicht«, meinte Rodenstock, »aber es ist eine Neun-Millimeter-Beretta, und ich würde sagen, das ist Profigerät. Wollte er Sie einwandfrei erschießen?«
    »Wollte er. Wieso aus Hamburg?«
    »Er ist nicht aus Hamburg«, sagte Rodenstock knapp. »Der Wagen ist ein Mietwagen von Avis, in Frankfurt ausgeliehen. Wiedemann kommt gleich, der Sani auch.«
    »Du machst einen Scheiß«, meinte Tom, der Jungbauer, freundlich.
    »Wir haben es nicht richtig ernstgenommen«, fluchte Rodenstock. »Verdammt noch mal, wir hätten wissen müssen, daß es ausufert.«
    »Hätten wir nicht«, sagte ich. »Es ist doch ein Provinzskandal, nichts anderes.«
    »Hast du arge Schmerzen?« fragte die totenbleiche Soziologin.
    »Es geht. Ich friere.«
    »Das ist normal«, sagte Rodenstock. »Übrigens, herzlichen Glückwunsch, das hast du fein gemacht. Wirklich gut.« Dann grinste er. »Wir sollten uns nach soviel Durcheinander endlich duzen, oder?«
    »Das ist schön«, nickte ich und meinte es so. »Was sagt deine Erfahrung? Wie lange nageln die mich im Krankenhaus fest?«
    »Ein paar Tage«, vermutete er. »Aber ich habe keine Erfahrung, ich bin nie ins Bein geschossen worden, ich war nie ein Held.«
    Ein Zivilfahrzeug mit Blaulicht kam heran. Wiedemann stieg aus und schubste die anderen beiseite. Er beugte sich über mich: »Ist das wahr, wollte der Sie umlegen?«
    »Das ist wahr.«
    Er verschwand, und ich hörte, wie er hastig mit anderen Männern sprach und kurze Anweisungen erteilte.
    Endlich erreichte auch der Notarzt mit irrem Geheul und quietschenden Reifen die Szene, hinter ihm folgte der Bus vom Roten Kreuz. Der Arzt war ein freundlicher junger Mann und sehr resolut. Er zerrte mich nach vorn, obwohl ich schrie wie am Spieß.
    Er sagte: »Na, na, na, wer wird denn gleich.« Dann nahm er eine Lampe und leuchtete mein Bein ab. »Steckschuß«, rief er begeistert, als komme so etwas nur alle Schaltjahre vor. »Sie müssen sofort in den OP, junger Mann. Fühlen Sie sich gut?« Er wartete meine Antwort nicht ab, sagte irgend etwas zu den Sanitätern, fuhrwerkte an meinem linken Arm herum und setzte mir eine intravenöse Spritze. Dabei murmelte er: »Wir werden jetzt ganz ruhig.« Ich wurde überhaupt nicht ruhig, ich schlief ein. Alle Ärzte lügen.
    Ich hatte keine Ahnung, wieviel Zeit vergangen war, der hagere Mann in Weiß wirkte beruhigend wie ein Uhu. Mit mildem, väterlichem Lächeln erklärte er: »Sehr sauberer Steckschuß, sehr sauberer Schußkanal, sozusagen hygienisch sauber, wie wir Hausfrauen es gern haben. Hier ist die Kugel, Herr Baumeister. Wie Sie sehen, ist sie kaum deformiert. Tatsächlich hat sie den Knochen nicht gestreift. Schmerzen?«
    »Nein. Wann kann ich gehen?«
    »Ich denke, in ein paar Tagen«, lächelte er. »Sie können dem Schöpfer danken, daß es so glimpflich verlaufen ist. Sagen Sie, wollte man Sie wirklich umbringen? Ich meine, einfach so?«
    »Einfach so.« Auf meinem Nachttisch stand ein gewaltiger Blumenstrauß. Rosen in allen Farben. »Wer hat mich da beschenkt?«
    Der Arzt grinste und wurde noch menschlicher. »Ein Haufen Leute hält mich von der Arbeit ab. Alle fünf Minuten ruft jemand an und fragt, ob es Ihnen auch gut geht. Also, von mir aus können Sie versuchen, sich hinzustellen. Wollen Sie?«
    »Na sicher«, nickte ich. Dann schwang ich die Beine etwas zu heftig, und mir wurde schwarz vor Augen.
    »Langsam, alter Mann«, mahnte der Arzt schadenfroh.
    Später lag ich wieder im Bett und betrachtete verwundert den kleinen Bleiklumpen. Eine Schwester kam herein, gab mir eine Spritze und versicherte hoch und heilig, das mache mich nur ruhig. Aber ich schlief selbstverständlich sofort wieder ein. Krankenschwestern lügen auch.
    Ich wachte auf, weil es

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