Eifel-Filz
klopfte.
Wiedemann kam herein. »Sie bereiten mir schlaflose Nächte. Ist das hier der Mann, der Sie töten wollte?«
Er reichte mir ein Foto, ich nahm es und warf einen Blick drauf. »Richtig, das ist er. Wer ist der Mann?«
»Erst einmal frage ich. Wie lange haben Sie ihn beobachten können, bevor es zu dem Treffen kam?«
»Etwa eine Minute. Sein Auto war im Nebel dicht hinter mir.«
»Haben Sie ihn jemals vorher bei einer anderen Gelegenheit gesehen?«
»Mit Sicherheit nicht.«
»Wieviel Sätze hat er ungefähr mit Ihnen gesprochen? Oder, anders formuliert: Ehe Sie ihm in die Eier traten, haben Sie sich mit ihm unterhalten?«
»Ja, zuerst hat er gefragt, ob ich Siggi Baumeister bin. Dann sagte er, er habe einen Auftrag. Eigentlich mache es ihm keine Freude, Profis kaltzustellen. Ich würde doch ahnen, wozu er gekommen sei. Schließlich sagte er einfach, ich solle mich umdrehen.«
»Das sagt er zu jedem Opfer«, nickte Wiedemann. »Arbeiten Sie augenblicklich an einem Thema in Verbindung mit organisierter Kriminalität?«
»Nein. Auf lange Sicht bereite ich ein Sachbuch über die Situation der deutschen Polizei vor. Da spielt organisierte Kriminalität eine Rolle, aber das ist nicht akut.«
»Arbeiten Sie sonst an einem Thema, das mit Verbrechen zu tun hat?«
»Nein, bis auf den Doppelmord nicht. Wer ist der Mann?«
»Er ist ein Killer, oder besser gesagt, ein Profikiller. Er heißt Claudio Medin, ist Deutsch-Italiener und hat wahrscheinlich mehr Blut an den Händen, als man sich vorstellen kann. Es ist sicher, daß er im Auftrag italienischer Mafiakreise in Frankfurt mindestens drei Kroaten getötet hat, die im Drogengeschäft tätig waren. Wahrscheinlich ist er auch der Mann, der im vorigen Jahr in Miami in Florida einen Kokskönig aus Cali abschoß. Im Februar hat er im Auftrag japanischer Triaden ein Ehepaar aus Sri Lanka getötet, das in den europäischen Heroinhandel investiert hatte. Mit Sicherheit ist er derjenige, der in Moskau im Mai den Chef eines Kuriersyndikats ausgeschaltet hat, das später von Schweizer Kreisen übernommen wurde. Medin hatte zwei Adressen in Frankfurt. Eine normale Wohnung sowie eine tote Wohnung, in der lediglich zwei Telefone mit Anrufbeantworter standen. Auf diese Telefone, die er alle halbe Jahre mit einer anderen Nummer versah, konnten Aufträge gesprochen werden. Akzeptierte er einen Auftrag, schickte er dem Auftraggeber eine Postkarte, auf der nichts stand. Nie hat er gefragt, aus welchem Grund er jemanden töten sollte, nie hat ihm jemals Vorschriften gemacht, wie er vorzugehen hatte. Er war einfach gut, und er war teuer. Er kassierte grundsätzlich hundert Prozent im voraus und bekam in der Regel zwanzigtausend Dollar pro Auftrag plus Spesen. Wem, lieber Siggi Baumeister, sind Sie zwanzigtausend Dollar wert?«
»Niemandem«, sagte ich hastig.
»Aber ein Irrtum ist ausgeschlossen«, mahnte er.
»Kann man den Auftrag feststellen?«
»Das konnte das BKA«, ruckte Wiedemann. »Auf dem Anrufbeantworter sind Reste von Sprache, der Apparat hat nicht gut gelöscht. Die Anweisung ist sehr kurz und besagt: Zu erledigen ist Siggi Baumeister. Dann folgt Ihre komplette Adresse.«
»Vielleicht hat unser Doppelmord eine ganz andere Dimension«, überlegte ich.
»So muß es sein.«
»Aber warum ausgerechnet ich? Warum nicht Sie und Rodenstock?«
»Gangster und Ganoven sind nicht logisch«, meinte er. »Ein bestimmter Aspekt in der Geschichte läßt mich vermuten, daß Sie sehr gefährdet sind, ich aber nur meine Pflicht tue. Das heißt, jemand fürchtet, daß dieser Fall in allen Einzelheiten öffentlich breitgetreten wird. Dafür können nur Sie in Betracht kommen, die Mordkommission oder die Staatsanwaltschaft nicht. Wir ermitteln, wir klagen an, aber wir haben keine Macht über Medien.«
»Medin verwirrte mich eigentlich mehr, als daß er mir Angst machte. Weiß das Bundeskriminalamt etwas darüber, wie er mit seinen Opfern umging?«
Wiedemann nickte. »Er war ein paarmal erfolglos, bedingt durch besondere Umstände. Abgesehen davon, daß man starke psychopathologische Akzente in seiner Akte betont, wird vor allem darauf hingewiesen, daß er einen enormen Drang hat, sich dem Opfer persönlich zu nähern. Er will das Gespräch, er will sich anscheinend unterhalten, ehe er tötet. Das wird so interpretiert, daß er dadurch für sich selbst feststellen will, daß er ein ganz normaler, intelligenter Mensch ist mit einer ganz normalen Aufgabe, die er leider bewältigen
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