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Eifel-Filz

Eifel-Filz

Titel: Eifel-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Berndorf
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fahren und hätte beinahe eine schwere Zugmaschine von hinten erwischt, die den üblichen Fehler aller Landmaschinen hatte: Funzeln statt Rückleuchten. Jemand hatte sich hinter mich geklemmt, und es ging in gemächlichen 20 km/h in die Linkskurve vor der scharfen Kehre. Ich rechnete aus, daß ich bis zum Hof etwa fünfzehn Minuten brauchen würde, also war es noch möglich, Nina Simone mit ihrem rauchigen Don't smoke in bed einzuschieben. Als die Gute gerade loslegen wollte, blendete mein Hintermann auf und schoß mit einem mörderischen Satz an mir vorbei, setzte sich vor mich und stellte sich quer. Wir standen genau im inneren Scheitelpunkt der Rechtskehre. Es war ein Jeep Cherokee mit Hamburger Kennzeichen, er hatte das Warnblinklicht eingeschaltet.
    Weil ich ein höflicher Mensch bin, stieg ich aus. Vermutlich war er einer der vielen tausend Städter, die während eines ausgedehnten Eifelnebels für immer verlorengehen. Ich sagte also fröhlich »Hallo«, um ihm deutlich zu machen, daß Rettung nahte.
    »Guten Abend«, grüßte er höflich und drehte sich aus seinem Sitz heraus. »Sind Sie Siggi Baumeister?«
    Ich bestätigte das und setzte hinzu: »Falls Sie Schwierigkeiten haben, können Sie sich hinter mir halten. Ich kann Sie führen.«
    »Das wird nicht nötig sein«, antwortete er. Er sprach keinerlei Dialekt. Er trug einen locker und weit fallenden grauen Pullover und Jeans. Er war vielleicht fünfzig Jahre alt, hatte ein hageres, ernsthaftes Gesicht unter kurzem grauem Haar und sah etwas oberlehrerhaft auf mich herunter. »Ich habe einen Auftrag.«
    »Moment«, sagte ich, »ich will der Simone erst mal den Hals abdrehen.« Ich ging zurück und schaltete das Radio aus.
    Er stand dort, bewegte sich nicht und wirkte äußerst gelassen.
    »Sie haben also einen Auftrag«, wiederholte ich. Ich wußte genau, daß der Mann ernstzunehmen war, ich fühlte mich hilflos.
    »Ja«, nickte er. Er war einfach neugierig auf mich und sah mich an.
    »Dann fahren wir zu mir nach Hause«, schlug ich mit trockenem Mund vor.
    »Das wird nicht nötig sein«, sagte er. »Sie ahnen doch sicher, daß das unnötig ist.«
    Ich nickte, sprechen konnte ich nicht mehr.
    Er sah sich um. »Hier kommt stundenlang niemand vorbei«, sagte er. Es war eine Feststellung, keine Frage. »Sie sollen sehr gut sein in Ihrem Fach. Eigentlich mag ich es nicht, Profis auszuschalten.« Er hatte jetzt eine Waffe in der rechten Hand, irgend etwas tiefschwarz Bedrohliches, und es war klar, daß er schon viel zuviel gesagt hatte.
    Ich weiß sehr gut, daß meine Reaktion lächerlich war, aber ich weiß auch, daß ich nur diese eine Chance hatte. Ich mußte irgend etwas sagen, irgend etwas ganz Normales, ich mußte eine oder zwei Sekunden schinden. »In diesem Fall müßten Sie aber eine ganze Mordkommission töten.«
    Er bekam ganz kleine Augen vor Heiterkeit. »Ich richte mich nach meinem Auftragsbuch«, erwiderte er. Seine Sprache war glatt ohne jede Höhe und Tiefe.
    »Wer hat denn etwas gegen mich?« fragte ich, nur um Zeit zu schinden.
    »Das ist mir unbekannt«, erklärte er ernsthaft. »Sie können sich umdrehen.«
    Rechts von mir war ein Fleck mit feinem Granitsplit, ungefähr zwei Meter breit. Dann kam eine scharfe Senke in einen schmalen Graben, dann eine Erdstufe, etwa fünfzig Zentimeter hoch, schließlich die Kieferndickung. Schon die zweite Reihe der Stämme war nicht mehr zu sehen.
    »Ich dreh mich nicht um«, meinte ich. »Sie können mir ins Gesicht schießen.«
    Ohne Zweifel war er erstaunt und machte eine schwache, abwehrende Bewegung mit der linken Hand. »Nicht doch«, sagte er leise.
    Dann trat ich mit aller Gewalt zwischen seine Beine. Ich kann heute nicht mehr sagen, ob ich das Knie benutzte oder den rechten Fuß hochbrachte. Ich weiß es einfach nicht. Er schrie gellend und kippte nach vorn.
    Ich versuchte nicht, an seine Waffe heranzukommen. Ich drehte mich ab, sprang über den Graben und tauchte zwischen die Stämme, wobei ich mit der rechten Schulter scharf und schmerzhaft gegen einen Ast stieß.
    Plötzlich schoß er. Es klang merkwürdig harmlos und hatte nichts gemein mit den bellenden Schüssen in Actionfilmen. Er erwischte mich im linken Oberschenkel. Es tat nicht weh, es war wie ein kurzer Schlag ohne Echo. Ich kniete, und Äste waren in meinem Gesicht. Er war jetzt unterhalb von mir und atmete sehr heftig. Ich legte mein Gewicht auf das linke Bein, drehte mich und trat in sein Gesicht. Irgend etwas schepperte unter ihm, er

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