Eifel-Filz
aber jetzt möchte ich rauchen.«
»Ich kann Ihnen eine Pfeife stopfen, etwas anderes habe ich nicht.«
»Dann versuche ich das mal«, nickte er. Seine Stimme war wie die eines kleinen Jungen, der dem Vater eine Kippe klaut und damit hinter die Stachelbeeren geht.
Was gab ich ihm für eine Pfeife? Es sollte etwas Stilvolles sein. Es war seine erste und vermutlich auch seine letzte Pfeife. Ich entschied mich für die Filtro von Lorenzo.
Sie ist groß und leicht, und sie brennt niemals auf der Zunge. Ich stopfte sie bedächtig.
»Was wollen Sie eigentlich von mir?« fragte ich, weil ich die Stille unterbrechen wollte.
»Einfach nur reden«, antwortete er freundlich.
»Anzünden, dann leicht niederdrücken und noch einmal anzünden.«
Er war ein Anfänger, er wirkte linkisch, und er mußte husten. »So ein Blödsinn! Warum soll ich ausgerechnet jetzt rauchen?«
»Sie sind ein guter Banker, sagt man.«
»Das bin ich wohl«, erwiderte er. Aber es interessierte ihn nicht mehr. »Privatleben hatte ich nie und wollte ich nie. Komisch, erst Pierre hat mich drauf gebracht, daß es einen privaten Udler gibt.«
»Haben Sie den Mord lange geplant?«
Er sah mich an, er hatte wahrscheinlich nie darüber nachgedacht. »Nein, eigentlich nicht. Pierre hat mir mal erzählt, die Heidelinde sei richtig geil, wenn sie es im Freien macht, mit einem Rock an und nichts darunter. Also haben sie immer auf der Bahn sechzehn gevögelt. Jedenfalls dann, wenn sie den Teil des Geländes allein für sich hatten. Es war ganz einfach, die beiden waren aber auch so dumm.«
»Sie waren schlicht naiv«, gab ich zu. »War denn das mit dem alten Mann notwendig?«
»Mir schien es so«, murmelte er. »Jetzt weiß ich, daß die ganze Sache die Folge einer scheinbaren Ausweglosigkeit war. Der alte Mann hat mich gesehen, das Auto gesehen, die Schneeketten gesehen. Es mußte sein. Und es wäre perfekt gewesen, wenn Sie sich nicht eingemischt hätten.«
»Das ist nicht wahr. Wiedemann hätte Sie allein erwischt, Rodenstock auch.«
Udler lächelte müde. »Ich bin anderer Ansicht. Wissen Sie, was ich glaube, was Pierre mit dem Video der Natascha vorhatte? Er wollte es mir schenken. Das hätte zu ihm gepaßt. Er war nicht nur naiv, sondern manchmal auch geschmacklos. Glauben Sie, daß es Danzer erwischen wird?«
Es war erstaunlich, wie breit noch immer seine Interessen waren.
»Er wird sich über diesen Fall das Genick brechen«, vermutete ich. »Ich habe übrigens noch immer nicht verstanden, wo der Unterschied zwischen Luxemburg, Liechtenstein und der Schweiz liegt, wenn es darum geht, Schwarzgelder unterzubringen.«
»Das klärt der Fachmann in Sekunden«, sagte er und fuhr sich mit den Fingern der rechten Hand an den Mund, als müßte er sich vergewissern, noch da zu sein. »Jahrzehntelang versteckte man sein Geld in der Schweiz oder Liechtenstein, was banktechnisch dasselbe ist. Dann hieß es, dort seien die Banken gezwungen, Konten und ihre Inhaber preiszugeben. Das stimmt absolut nicht, solange Sie dort einen Statthalter haben. Gleichzeitig machte Luxemburg seine Pforten auf für alle Gelder dieser Welt. Der Irrsinn war nun, daß viele Leute hingingen, ihr Geld in der Schweiz einpackten und es nach Luxemburg transportierten. Es war eine dieser völlig sinnlosen Modeströmungen, denn selbstverständlich hatten die Schweizer Spezialisten schnell herausgefunden, daß bestimmte Gelder in Luxemburg tatsächlich mehr Rendite brachten. Also gründeten sie dort ebenso blitzschnell Firmenableger. Mit anderen Worten: Ob ich Geld in die Schweiz brachte oder nach Luxemburg, das war egal – es landete immer auf Danzer-Konten. Pierre hat dämlicherweise lauthals behauptet, Luxemburg sei günstiger, obwohl er den Hintergrund kannte. Pierre war ein Anpasser.«
»Aber Sie haben Pierre geliebt, nicht wahr?«
Er sah mich an und ließ den Kopf ein wenig nach vorn hängen. Er nickte, sagte nichts, er nickte nur. Er versuchte etwas zu sagen, aber er konnte es nicht. Schließlich schlug er die Hände vor das Gesicht und weinte.
Das dauerte unendlich lange, und ich verspürte den Drang, ihn zu umarmen. Aber ich tat es nicht.
»Ich habe selbst zwei Kinder«, erzählte er. »Aber eben Kinder. Ich hatte wirklich nur Pierre, und er war klug, doch er mußte reifen. Dann machte er alles kaputt, wirklich alles.«
Dann wieder dieses lautlose Weinen.
Plötzlich griff er nach der Ampulle, schob sie sich in den Mund und biß zu. Es war ein furchtbar leises Geräusch,
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