Eifel-Filz
in allem reichte sie für einen Fußballverein.
Sasse setzte sich auf einen Lederhocker und fragte: »Also, was wollen Sie denn wissen? Allerdings, Namen nenne ich nicht. Ich nicht.«
»Müssen Sie auch nicht«, sagte ich. »Keine Namen, keine Konten, nur Umstände. Wie lange laufen die Schwarzgelder, wo laufen sie hin, wie werden sie angelegt?«
»Das geht doch nicht«, hauchte er. »Dann kann ja auch der Landrat seinen Hut nehmen.«
»Wieso der?« fragte Rodenstock. »Landräte finden doch immer einen Bauern, den sie opfern können.«
»Der Landrat sitzt im Aufsichtsrat«, flüsterte Sasse. »Das ist doch bei den Sparkassen immer so. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Udler das ganz allein gefingert hat.« Dann verzog er das Gesicht zu einem tieftraurigen Lächeln. »Doch, Udler kann das allein gefingert haben. Der ist verrückt, wenn es um die Eifel geht. Er sagt immer: Jahrhunderte war die Eifel das rheinische Sibirien, Jahrhunderte die ärmste Landschaft in Deutschland. Jetzt machen wir Kies und halten die Schnauze. Sowas sagt er dauernd.«
»Also Hans-Jakob Udler«, stellte Dinah sachlich fest. »Wenn ich mich recht erinnere, ist er dauernd bereit, Risiken einzugehen und neben seinen normalen rechtlichen Möglichkeiten auch alle Möglichkeiten auszunutzen, die nicht so ganz legal sind, oder?«
»Da sagen Sie was«, murmelte Sasse. »Also, es ging so los, daß eine Menge Leute hier Schwarzgeld machen. Eigentlich macht jeder Handwerksbetrieb Schwarzgeld. Die Frage ist immer: Was mache ich damit? Udler sagte: Gebt es her, ich bringe es unter. Es ging nach Luxemburg und in die Schweiz, nach Liechtenstein. Der Trick war ganz einfach. Wenn hier ein Projekt zu platzen drohte, ging man zu Udler und sagte: Zur Quelle kam der Knabe. Das hieß, Udler rief dann einen Teil dieser Gelder einfach zurück und konnte helfen.«
»Mal langsam«, mahnte Rodenstock. »Sie gaben zum Beispiel Schwarzgeld an den Pierre Kinn, der es dann nach Luxemburg oder in die Schweiz brachte. Lief das so?«
Sasse war verwirrt. »Wieso Pierre Kinn? Ist das der Tote? Dieser Bankmensch unter Udler? Nein, wieso? Hatte der damit zu tun?«
Es war sehr still.
»Ach du mein lieber Vater«, flüsterte Dinah. Sie war ganz weiß. »Also, das Schwarzgeld lief zu Udler? Wie? Über Konten?«
»Nein, er nahm es nur bar. Ich weiß hundertprozentig, daß das seit mindestens zehn Jahren so geht. Udler sagte immer: Verdammt noch mal, gebt mir den Kies, sonst landet er beim Finanzamt! Her damit, ich mache euch reich. Sagte er immer.«
»Sagte er wie vielen Leuten?« fragte Rodenstock.
»Das weiß ich nicht so genau, ich kenn ja die Unterlagen nicht. Ich schätze mal, dreihundert oder vierhundert. Die meisten von denen richteten extra ein Konto bei Udler ein, damit sie überhaupt auf diese Möglichkeit zurückgreifen konnten. Das funktionierte prima und ganz still.«
»Also ging es um Millionen und nicht nur um ein paar Hunderttausend?« fragte Rodenstock.
»Viele Millionen«, nickte Sasse.
»Und wer kassierte die Vermittlung?« schaltete ich mich wieder ein.
»Udler natürlich. War ja auch sein gutes Recht. Er nahm irgendwas zwischen vier und fünf Prozent. Dafür bekam aber der Anleger auch verdammt viel Zinsen und Sondervergütungen, weil die Gelder ja laufend eingesetzt wurden.«
»Udler schaffte also das Geld aus Deutschland raus. So weit, so gut. Verwaltete er die Gelder dann auch?«
»Na sicher. Ich weiß hundertprozentig, daß er im Januar rumfuhr und Bares verteilte. Also die Gewinne. Und manche verdienen pro Jahr dabei ein feudales Einfamilienhaus.«
»Hermes, der Gott der Kaufleute und Diebe!« sagte Dinah ganz ergriffen. »Sowas kann doch gar nicht gutgehen!«
Sasse sah sie an und schüttelte den Kopf. »Sie sehen doch, daß das gutgehen kann. Selbst wenn die ganzen Leute vor den Kadi kommen: Die meisten haben so einen gewaltigen Reibach gemacht, daß sie getrost ein, zwei Jahre in den Bau wandern würden. Die können sich dann eine Suite leisten und sich selbst verpflegen.« Er war verbittert.
»Was ist das für ein Gefühl, Herr Sasse, nicht beteiligt zu werden?« fragte ich.
Er war ganz weit fort, er starrte irgendwohin, er hatte meine Frage gehört, aber er begriff nicht, daß sie an ihn gerichtet war. »Wie bitte? Ach ja, ich weiß nicht mal, ob ich da wirklich mitmachen wollte. Ich glaube, ich wollte das nicht. Irgendwie kommt ja doch alles raus... Ich bin ja schwerbehindert, wie Sie sehen. Und Udler war schon in der
Weitere Kostenlose Bücher