Eifel-Liebe
mitgenommen?«
Er seufzte tief. »Jedes Mal.«
»Wie kamen Sie an das Geld, wer gab es Ihnen?«
»Immer Gundula Pechter. Nach meinen Eintragungen waren es in Summe eins Komma sechs Millionen Euro. Die Scheine waren in Packpapier eingewickelt und wurden mit Büchern gemischt.«
»Führten alle Gruppenmitglieder Geld mit sich?«
»Ich weiß es mit Sicherheit von der Pechter, von Anna und Elvira und von Gernot Meyer.«
»Was sollten Sie sagen, wenn der Zoll Sie geprüft hätte?«
»Wir sollten die Wahrheit sagen und unschuldig tun. Das Geld sei für Andreas Forst, dem gehöre es. Aber das passierte ja nie. Wir schwammen immer im Strom der Touristen mit.«
»Sind Sie eigentlich für diese Kurierdienste bezahlt worden?«
»Ja, aber nicht direkt. Das machte die Pechter ganz raffiniert. Sie kam in mein Zimmer, ich packte ihr das Geld auf den Tisch, sie zählte nach und plauderte fröhlich mit mir. Sie wusste immer, was gerade in meinem Leben finanziell los war. Kaufte ich ein Auto, wusste sie davon und bezahlte die nächsten fünf Raten. Manchmal hat sie auch einfach ein paar Fünfhunderter in der Tasche gelassen.«
»Und die Flüge, wer bezahlte die?«
»Das weiß ich nicht. Wir bekamen die Tickets zusammen mit dem Geld, also von Gundula Pechter.«
»Gruppengeld, Gruppenticket, Gruppengefühl, Gruppenkriminalität. Entschuldigung. Jetzt bitte zurück zu der Geschichte zwischen Ihnen und Gernot Meyer. Erzählen Sie getrost in aller Ausführlichkeit. Ich will begreifen, was da ablief.«
»Dass ich schwul bin, habe ich nie herausgekehrt, aber auch keinen Hehl daraus gemacht.« Er lächelte und breitete die Arme leicht aus. »Man könnte jetzt sagen: Dann hätten Sie aber nie die Priesterweihe empfangen dürfen! Ich möchte antworten: Das ist nicht richtig. Denn ich bin Priester geworden, weil ich Gott und die Menschen liebe, und selbstverständlich auch die katholische Kirche. Sie ist unverrückbar mein Zuhause. Natürlich habe ich in den Anfangsjahren sogar gedacht, dass die Kirche bei dieser meiner Veranlagung ja ein besonders gutes Zuhause ist. Sie beschützt mich und sie sagt: Was immer du bist, was immer du tust: Jesus akzeptiert dich, wie du bist! Das sagt sie, oder?« Er blickte an die weiße Decke. »Außerdem verfügte ich über einige Erfahrungen mit jungen Priestern. Von dem einen oder anderen wusste ich definitiv: Er ist schwul. Und er ist ein guter Priester. Warum konnte das nicht auch mein Weg sein? Wir sollen zölibatär leben und ich wollte dieser Regel folgen. Doch wenn man genau hinguckt, funktioniert das nicht – wie viele Priester leben allein in eheähnlicher Gemeinschaft mit Frauen? Das wird sogar akzeptiert, solange es im Verborgenen geschieht. Totale sexuelle Enthaltsamkeit kann nicht funktionieren! Es ist das, was ich die große Lüge meiner Kirche nenne. Der Zölibat ist eine Sträflingskette, die Jesus niemals gemeint haben kann. Ist das zu abgehoben, oder …«
»Nein, nein, ich verstehe, was Sie meinen«, nickte ich.
»Gut. Was ich damit sagen will: Die Clique wusste, dass ich schwul bin. Jeder. Und sie alle starrten mich an, als sei ich so etwas wie ein ganz erstaunliches, aber natürlich auch abstoßendes Produkt von Mama Natur. Es war belustigend, in ihren Augen nie ausgesprochene Fragen zu sehen. Zum Beispiel die, ob bei uns jemand immer der Mann ist und jemand anderes immer die Frau. Oder ob man die Rolle auch gelegentlich wechseln kann, weil einem so danach ist. ›Mir ist heut so nach Tamerlan …‹ Sie kennen das sicher. Tatsächlich, es war köstlich.« Er paffte fröhlich vor sich hin und musste zuweilen husten, weil Rauchen offensichtlich eine Seltenheit in seinem sündigen Leben war. »Es gab nur eine in der Clique, mit der ich fantastisch konnte: Elvira Klein. Sie war so frei, sich ein eigenes Bild dieser Welt zu machen. Es störte sie nicht, dass ich schwul war. Manchmal sagte sie: Bei dir brauche ich wenigstens die Beine nicht zusammenzukneifen. Wir waren richtig gute Freunde, wir haben auch ein paarmal an der Stelle in der Kleinen Kyll gebadet, wo später ihre Leiche gefunden wurde. Deshalb übrigens konnten Sie mich dort treffen. Sie war irgendwie wunderbar. Von ihr weiß ich auch, dass Elvira und Meyer nie miteinander geschlafen haben. Jedenfalls wurde in Portugal traditionsgemäß viel getrunken. Wir hockten auf der Terrasse zusammen und alberten herum. Und da merkte ich, dass Gernot Meyer mich immer so seltsam anstarrte. Und was passierte? Er
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