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Eifel-Liebe

Eifel-Liebe

Titel: Eifel-Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Klaus Mertes zu, seinen Fall so schnell wie möglich zu klären.
    Nach ein paar Kilometern lenkte ich den Wagen wieder an den Straßenrand und rief Rodenstock an. Ich sagte: »Es tut mir Leid.«

    »Hab ich schon begriffen«, knurrte er.

    »Weißt du, es ist idiotisch, wenn mir Vera in Mainz sagt, Emma in den Staaten habe ihr gesagt, ich sei mies drauf. Das ist doch was für Bekloppte.«

    »Das ist richtig«, brummte er. »Ich wäre wahrscheinlich auch stinksauer. Was hat Vera dir genau erzählt?«

    »Dass sie Pressesprecherin werden soll.«

    »Da ist noch etwas«, meinte Rodenstock vorsichtig. »Ich denke, du solltest das wissen, sonst wirst du es anderweitig erfahren – und Amok laufen. Es gibt da einen Mann. Er ist Hauptkommissar, seine Funktion ist mir nicht bekannt. Er wollte schon was von Vera, als du noch gar nicht im Spiel warst. Jetzt ist er geschieden und wieder aufgetaucht.«

    »Warum sagt sie mir das nicht selbst?« Ich dachte flüchtig an eine der tiefgründigsten lebensphilosophischen Erkenntnisse aller Menschen in der in- und ausländischen Provinz: Wenn es dick kommt, musst du immer mit dem Schlimmsten rechnen!

    »Im Moment fehlt ihr der Mut. Du hörst dich ja fast schon so an, als sei die Geschichte für dich zu Ende.«

    »Ein neuer Job im alten Arbeitsbereich. Rückkehr nach Mainz. Und jetzt auch noch ein neuer alter Verehrer. Rodenstock, bleib auf dem Teppich. Die Geschichte ist tot.«

    Nach einer Weile sagte er: »Ja, du hast wohl Recht. Ich melde mich morgen wieder. Hier findet gleich irgendein Ringelpiez mit fünfzig Verwandten statt. Meine Frau ist aufgetakelt wie die Lieblingsfrau von Harun al Raschid. Wir hören voneinander.«
    Ich rollte endgültig heim nach Brück. Im Dorf schoss ich aus der Rechtskurve, wollte weit nach links ausholen, um die Einfahrt auf meinen Hof nehmen zu können, und trat voll auf die Bremse.

    Siedend heiß dachte ich: »Das ist Vera!«, dann wütend: »Ich schick sie zurück nach Mainz!«

    Aber es war nicht Vera.

    Eine alte Frau saß breitbeinig in dunklen Hosen auf zwei Koffern mitten auf meinem Hof und blinzelte aus der schlohweißen Wirrnis ihrer Haare in meine Scheinwerfer. Natürlich war mein nächster Gedanke: Oma Ohler.
    Aber auch sie war es nicht.

    Vorsichtig fuhr ich an der Frau vorbei, löschte die Lichter und stieg aus. Ich fragte: »Was kann ich für Sie tun, junge Frau?«

    Sie krächzte: »Ich bin deine Tante Anni! Ich dachte, ich komme mal vorbei.«

    Tante Anni? Tante Anni? Tante Anni! Ich erinnerte mich. Sie hatte mich vor Jahren schon einmal in der Eifel besucht und sie war genauso hereingeschneit wie jetzt. Sie war keine normale Tante, sie war jemand, den wir als Kinder mit Tante angeredet hatten. Und sie war jemand, mit dem sich mein Vater gut verstanden hatte. Aber das war auch alles, was mir aus der Vergangenheit aufstieg.

    »Warum hast du nicht vorher angerufen?«

    »War mir zu doof. Du hättest ja Nein sagen können.« Sie streckte beide Arme vor und sagte: »Hilf mir mal. Ich sitze hier so was von blöde auf meinem Arsch. Ich komme nicht mehr alleine hoch.«

    Ich reichte ihr also beide Hände und zog sie hoch.

    »Wie bist du überhaupt hierher gekommen? Und woher? Und wieso mitten in der Nacht?«

    »Mit dem Zug. Aus Berlin. Berlin, Köln, Gerolstein. Das war viel schlimmer als eine Völkerwanderung. Dann ein Taxi. Ich warte ja noch nicht lange auf dich. Höchstens eine Stunde.«

    »Also, erst mal rein in die gute Stube. Und dann kriegst du einen Kaffee.«

    »Hast du auch einen Schnaps?« Sie sah wirklich arg mitgenommen aus.

    »Habe ich.«

    Erst bugsierte ich Tante Anni ins Haus, dann ihre Koffer. Anschließend bekam sie einen sechsfachen Obstler der Marke ›sehr scharfer Eifler‹ und es herrschte zunächst Grabesstille.

    Sie hockte am Küchentisch, süffelte den Schnaps, machte »Aaahh!«, flüsterte: »Endlich was Warmes!«, machte »Brrr, ist der gut!«, und trank dann den Rest, begleitet von einem theatralisch begeisterten »Das geht mir durch und durch!«.

    Ihr vom Alter zerfurchtes Gesicht war teigig und blass. Sie trug ein dunkelblaues Jackett über einer grauen Bluse aus undefinierbarem Stoff, dazu Hosen, in die sie zweimal hineinpasste. Ihre Hände waren gepflegt, aber zittrig. Und um ihren Mund zuckte es dauernd, als wollte sie gleich in Tränen ausbrechen.

    Ich wartete.

    »Also, ich dachte, ich besuch dich mal. Hier in der Eifel. Weil ich oft an dich denke, seit ich das letzte Mal hier war. Ich dachte

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