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Eifel-Liebe

Eifel-Liebe

Titel: Eifel-Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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mir immer: Da muss ich noch einmal hin, weil es da schön ist. Tja, und dann habe ich mich in die Bahn gesetzt und nun bin ich hier.«

    Ich wartete weiter.

    »Jetzt wäre vielleicht ein Stück Brot gut. Ohne irgendwas drauf.«

    Ich schnitt eine Scheibe ab und reichte sie ihr. »Das ist aber noch nicht die ganze Geschichte, nicht wahr?«

    »Nein.« Tante Anni schüttelte den Kopf, riss ein Stückchen Brot von der Scheibe und kaute langsam. »Sie wollen mich ins Pflegeheim stecken.«

    »Wer ist ›sie‹?«

    »Mein Neffe und sein Arzt. Sie sagen, das ist das Beste für mich.«

    »Und was meinst du?«

    »Wenn ich das mache, werde ich sterben. Ganz schnell.«

    »Und zum Sterben ist es zu früh.«

    »Richtig«, nickte sie. »Ich bin hier, weil ich zu mir kommen muss. Wenn ich dich störe, miete ich mich irgendwo in der Nähe ein.«

    »Du störst nicht. Du kannst das Gästezimmer haben. Und jetzt isst du zu Ende und trinkst ein Bier. Oder noch einen dicken Schnaps. Wer weiß, dass du hier bist?«

    »Keiner. Soll auch nicht.«

    »Und wenn sie dich zur Fahndung ausschreiben?«

    »Hat noch Zeit«, kauzte sie. Sie griff zu der Schnapsflasche und goss sich kräftig nach. Es war klar, dass sie betrunken werden wollte. Sie hatte wohl viel zu vergessen.

    Wir sprachen nicht mehr, wir warteten einfach, bis sie richtig dun war. Dann brachte ich sie die Treppe hinauf in das Gästezimmer.

    »Hast du einen Zigarillo da, oder so was?«

    »Wahrscheinlich.« Ich ging welche suchen und wurde fündig. Ich zündete ihr einen an. »Schlaf nicht im Bett damit ein.«

    »Ich bin ja schon erwachsen«, murrte sie tonlos.

    Ich ging hinunter ins Wohnzimmer und hockte mich in einen Sessel.

    Tante Anni. Sie war schon irgendwie verwandt mit mir, aber keine Schwester meines Vaters oder meiner Mutter, nur ganz entfernt. Als sie mich das letzte Mal in der Eifel besucht hatte, waren wir beide gerade Erben eines Bauernhauses im damals ganz neuen deutschen Osten geworden – und hatten irritiert und leicht verunsichert auf dieses Erbe verzichtet. Tante Anni, so viel war sicher, musste älter sein als fünfundsiebzig Jahre. Und sie war, auch das wusste ich sicher, eine der ersten Kriminalkommissarinnen des Deutschen Reiches gewesen. Von ihr stammte die in der Familie grassierende Geschichte von der Nutte in Danzig, der Tante Anni einen Beischlafdiebstahl nachgewiesen hatte: Ein feiner Herr vom Lande war in Danzig Opfer einer raffinierten Prostituierten geworden, hatte die Polizei gerufen und aufgebracht behauptet, die Frau habe ihm eine wertvolle Taschenuhr gestohlen. »Das ist nicht nur eine Taschenuhr, sondern eine Spieluhr, die jede Stunde ein Lied spielt!«, hatte der Bestohlene entrüstet gewettert. Tante Anni hatte die Dienerin der Liebe in ein leer stehendes Büro gebeten und sie dort befragt. »Hast du die Uhr?« – »Auf Ehre, die habe ich nicht, Frau Kommissar!« – »Dann zieh dich aus. Hier! Ganz!« Wütend gehorchte die Frau. Ein eigentlich schmales, blasses Wesen sei sie gewesen, wahrlich nicht schön. Dann stand die Künstlerin der käuflichen Liebe nackt vor meiner Tante Anni und knötterte empört: »Na, siehste! Wo, bitte, soll ich nun die Uhr haben?« Und weil es gerade zwölf von den Kirchtürmen scholl, ertönte verborgen im Schoß der Liebe: Üb immer Treu und Redlichkeit …

    Was wusste ich noch von Tante Anni? Eigentlich nichts.

    Plötzlich überfiel mich mit großer Heftigkeit der Verdacht, sie würde versuchen, ihren Lebensabend bei mir zu verbringen. Dagegen hatte ich etwas. Verdammt, mein ganzes Leben zerfaserte. Eine Frau lief mir weg, eine andere Frau versuchte mich zu kaufen, eine dritte Frau hockte verdattert vom Leben auf meinem Hof, drei Menschen waren ermordet, meine Seelenverwandtschaft schwirrte irgendwo jenseits des Großen Teiches herum.

    Irgendwann gegen vier Uhr kroch ich in mein Bett. Mein Hund hatte sich platt vor Tante Annis Zimmertür gelegt. Das war sehr gut so.

    Ich wurde dadurch geweckt, dass Tante Anni neben meinem Bett stand und freundlich anbot: »Hier hast du erst mal einen guten Becher Kaffee!«

    Ich dankte gerührt. Es war acht Uhr, die Vögel zwitscherten, die Sonne schien, es war viel zu früh, um irgendwelche Tätigkeiten anzupeilen. Was mich aus dem Bett trieb, war die nicht vorhandene Qualität von Annis Kaffee. Es kam mir so vor, als habe sie eine einzelne Bohne mit Lichtgeschwindigkeit durch heißes Wasser geschossen. Das war schon kein Geiz mehr, das war Folter.

    Tante

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