Eifel-Liebe
Hals hingen drei goldene Ketten.
»Was willst du?«, fragte Oma Ohler.
»Äh, ich wollte gucken, wie es dir geht.« Ihre Stimme war wie die eines kleinen Mädchens, sie wirkte manieriert, ein wenig wie ein dressiertes Äffchen.
»Du bist neugierig, das ist es«, stellte Oma Ohler fest.
Ich wollte, dass Anna an der Tür stehen blieb. Denn von dort konnte sie die Wand mit dem Packpapier nicht sehen. Deshalb ging ich mit ausgestreckter Hand auf sie zu. »Siggi Baumeister. Ich bin Journalist. Nett, Sie kennen zu lernen.«
Sie betrachtete mich nur den Bruchteil einer Sekunde.
»Oma! Ein Journalist?«, rief sie, tiefrote hektische Flecken leuchteten auf ihren Wangen.
»Ein Journalist, jawoll!«, sagte Oma sachlich.
»Wie kannst du!« Annas Stimme schnappte hoch und kiekste ein wenig.
»Das lass man meine Sorge sein«, erwiderte Oma Ohler. »Und jetzt geh zu deinem Verhältnis zurück.«
Das war schroff, das war genau das, was noch fehlte.
Anna machte einen großen Schritt in den Raum. Ich blieb vor ihr stehen, doch es half nichts. Sie sah die Wand mit dem Bogen Packpapier. Sofort schrie sie los. »Was ist das? Verhältnis? Forst? Elvira? Bist du wahnsinnig? Dich sollte man einsperren! Liebesaffären? Anna? Bliesheim?«
»Raus hier!«, befahl Oma Ohler beinahe gemütlich. »Du bist doch gar nicht mehr bei dir. Du bist hier nicht willkommen.«
»Das darf nicht wahr sein!«, kreischte Anna und stampfte mit dem rechten Bein auf den Boden. »Was machst du da?«
Oma Ohler war es leid. Sie stand auf und trat erstaunlich schnell zu ihrer Enkelin hin. »Du verlässt jetzt meine Wohnung. Das geht dich alles nichts an.«
»Das geht mich sehr wohl was an! Da steht mein Name.«
Ich wollte mich wieder auf meine Eckbank setzen, als die Klingel einen blechernen Ton in das Haus schickte.
»Jetzt ist Ruhe!«, sagte Oma Ohler in die anschließende Stille. »Lass mich mal vorbei.«
Anna glitt zur Seite, Oma Ohler ging an ihr vorbei in den Flur. Leises Stimmengemurmel war zu hören.
Dann stand Gerald Özcan in der Tür. Er sah mich keine Sekunde an, ich existierte gar nicht.
»Sind Sie Anna Hennef?«, fragte er höflich, an die junge Frau gewandt.
»Ja«, antwortete sie, sie atmete immer noch hastig.
»Dann darf ich Sie bitten, mich zu begleiten. Wir brauchen dringend Ihre Aussage.«
»Was soll das?«, quengelte sie.
Özcan veränderte seine Position etwas, er trat einen Schritt beiseite. Jetzt konnte auch er die Wand sehen, natürlich begriff er, was ich da versuchte. Er sah mich immer noch nicht an, aber er legte den Mittelfinger seiner rechten Hand über den Zeigefinger.
»Ich bin nicht richtig angezogen«, behauptete Anna klagend.
»Doch, sind Sie. Oder brauchen Sie noch zwei Pfund Klunker?«, widersprach der junge Kriminalbeamte.
»Aber ich muss zu meinem … meinem Lebensgefährten.«
Özcan grinste leicht. »Der sitzt schon in meinem Auto. Kommen Sie, Sie sind schön genug.«
»Ich will einen Anwalt«, sagte Anna nun.
»Warum denn das?«, fragte Özcan erstaunt.
»Das hat sie im Film gesehen«, kommentierte Oma Ohler trocken. »Alle solche Ausdrücke hat sie aus dem Fernsehen.«
»Also los«, sagte Özcan.
Anna ging zögerlich, dann schneller und der Kripomann folgte ihr.
»Was sollte das denn nun?«, fragte Oma Ohler nach einer Weile.
»Kinsi hat sich nicht erhängt, Kinsi wurde ermordet.«
Das traf Oma Ohler vollkommen unvorbereitet. Ihr Gesicht wurde weiß und spitz und für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, sie würde ohnmächtig.
»Sie hatten Recht!«, fügte ich hinzu.
Sie ging ganz langsam zu einem Stuhl und setzte sich.
Ich nahm eine Rhodesian von Stanwell und den Tabakbeutel aus der Tasche und stopfte die Pfeife langsam und betulich.
Sie beugte sich mit ihrem Oberkörper vor und verharrte in dieser Haltung. Ich zündete die Pfeife an und blies den Rauch in ihre Richtung.
»Und die Polizei glaubt nun, Anna und dieser Bliesheim waren es?« Ihre Worte klangen wie Wassertropfen in der Stille des Hauses.
»O nein, so ist es nicht. Aber Kinsi war in der letzten Zeit sehr oft mit Anna und Bliesheim zusammen. Also muss die Polizei Anna und Bliesheim befragen.«
Kaum hörbar merkte sie an: »Anna ist viel schlimmer als ein Kind, sie ist ein dummes Kind. Sie glaubt an Geld.« Dann begriff sie das ganze Ausmaß der Situation und sagte hastig: »Um Gottes willen. Die Kinder sind drüben ja ganz allein. Wir müssen hier Schluss machen. Die
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