Eifel-Liebe
sage ihr, sie soll es tun«, nickte sie.
»Dann sagen Sie es ihr jetzt gleich. Wir müssen versuchen zu verhindern, dass noch weitere Leute ermordet werden.«
Sie nickte, ging nach nebenan und ich hörte sie telefonieren, konnte aber nichts verstehen.
»Sie kommt«, berichtete sie dann. »Hat Anna es schwer gehabt mit dem Sterben?«
»Nein. Auf keinen Fall. Sie war schon tot, ehe sie etwas spüren konnte. Die Kripo hat noch keine Idee, wer sie getötet hat. Rolli war es wohl nicht, aber Bliesheim ist verschwunden.«
»Warum sollte denn Bliesheim so was tun?« Oma Ohler stand vor dem Herd, drehte sich herum und starrte aus dem Fenster, als sei die Beantwortung ihrer Frage vollkommen belanglos. »Mein Gott, dieses Kind war so dumm. Man soll ja nichts Schlechtes über Tote reden, aber sie war wirklich dumm. Sie hatte Kinder und ist selbst trotzdem immer ein Kind geblieben.«
Es schellte und Oma Ohler ging die Türe öffnen.
Die junge Frau, die hereinkam, war schlank und groß und trug einen dunklen Nadelstreifenanzug über einer weißen Bluse. Ihre Füße steckten in Lackschuhen und sie hatte keinen Schmuck umgelegt. Ihr hochgestecktes Haar war so blond wie das ihrer Schwester. Sie hatte ein weiches, frauliches Gesicht, war sehr bleich und ungeschminkt.
»Das ist unsere Claudia«, stellte Oma Ohler vor.
»Baumeister, Siggi Baumeister. Mein Beileid«, murmelte ich und gab ihr die Hand. »Ihre Schwester Anna ist die vierte Tote in einer Reihe, die bisher niemand begreifen kann.«
Sie sagte ohne Betonung: »Da werde ich wohl nicht helfen können.« Sie setzte sich auf einen Stuhl, zog eine blaue Packung Gauloises aus der Tasche und zündete sich eine an.
Ich nahm ihr gegenüber Platz. »Kennen Sie diese Clique, zu der Ihre Schwester gehörte?«
»So gut wie gar nicht. Ich war ja nur noch selten hier.«
»Was wissen Sie über Kinsi?«
»Bei dem ist das was anderes. Den kannte ich, seit ich ein Kind war. Der war immer da, immer freundlich. Als wir klein waren, spielte er mit uns. Wir wussten natürlich, dass er zurückgeblieben war. Er galt als so was wie der Dorfdepp.«
»Ihre Großmutter hat erzählt, dass Sie und Anna nicht viel miteinander gemein hatten. Was meinen Sie selbst?«
Sie überlegte, dann zuckte ein Lächeln um ihren Mund. »Die meisten, die uns kennen, haben gescherzt, dass wir eigentlich nicht dieselben Eltern haben könnten. Stimmt es, dass man Anna ins Gesicht geschossen hat?«
»Das ist richtig.« Baumeister sei vorsichtig. Solange sie mit ihrer Zunge auf der Unterlippe herumleckt, ist sie zickig und nicht bereit, allzu viel zu erzählen. »Sie wollen wahrscheinlich wissen, ob Ihre Schwester gelitten hat?«
»Ja, das würde ich gern.«
»Nein, hat sie nicht, nach Ansicht der Kriminalisten war sie sofort tot. Sie kann auch keine Schmerzen gespürt haben.« Schieß eine Frage ab, auf die sie sowieso nicht antworten wird. Halt sie ein bisschen auf, suche nach einer Lücke. »Können Sie sich jemanden vorstellen, der das getan haben könnte?«
»Natürlich nicht«, murmelte sie.
Ich sah Oma Ohler Hilfe suchend an.
»Hör zu, Kind«, sprach die Oma aus dem Hintergrund. »Der Herr will uns helfen. Nun red schon. Wie war das zwischen Anna und dir?«
»Na ja, Anna war eben so wie die meisten jungen Frauen in der Eifel. Kinder, Küche und so weiter. Erst muss geheiratet werden, dann kommt das erste Kind, dann kümmert man sich um eine halbe Stelle irgendwo und dann kommt das nächste Kind.«
Schweigen.
»Die Darstellung passt aber nicht so ganz«, sagte ich. »Anna hat ihren Rolli verlassen und mit Rainer Bliesheim ein Verhältnis angefangen. Demnach war ihr die Ehe zu fade, der Rolli zu fade, das Leben mit Rolli zu fade. Da muss also noch etwas anderes ihr Denken bestimmt haben. War Anna vielleicht irgendwie abhängig von Bliesheims Geld, von seinem Einfluss, von seiner Macht?«
»Hm. Wir haben mal telefoniert, das ist schon lange her, mehr als ein Jahr. Ich weiß gar nicht mehr, weshalb sie angerufen hatte. Auf jeden Fall sagte sie im Verlaufe des Gesprächs, sie könne jetzt alles haben, was sie will. Geld spielt keine Rolle mehr, hat sie gesagt. Ich habe sie gefragt, warum sie mir das sagt. Und sie hat geantwortet, sie wollte mir nur zeigen, dass auch sie einen erfolgreichen Weg gefunden hat. Eben mit ihren Mitteln.«
»Was waren denn Annas Mittel?«, hakte ich schnell nach.
Mit Claudia Vaals ging eine Veränderung vor, ihr Rücken straffte sich, ihre
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