Eifel-Müll
hast du auf meinem Sofa gehockt und blöde vor dich hin gekichert. Du hast gelallt, dass die Götter mit dir seien und dass du an allen niedrigen Problemen dieser Welt nicht mehr das geringste Interesse hättest.«
»Das ist aber doch schon ein paar Stunden her. Wo bist du?«
»Auf dem Weg zu Tina Colin. Ich bin bald zurück.«
Ich fuhr den Rest des Weges nach Bongard, und als ich vor dem Haus Tina Colins anlangte, wollte ich sofort wieder umkehren. Drei Kombis mit Trierer Zulassung standen im Hof und sechs Männer schleppten Akten und Kartons voll mit Papieren aus dem Haus.
Einer der Männer, ein besonders schneidig wirkender, ungefähr vierzig Jahre alt, kam heran und fragte: »Kann ich was für Sie tun?«
»Ich möchte mit Tina Colin sprechen.«
»Aha. Wohl Presse, wie?«
»Ja. Ist sie zu Hause?«
»Ja, ist sie.«
»Was tun Sie denn hier?«
»Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität.«
»Das ist ein Wort. Ist Tina Colin drin?«
»Auf der anderen Seite des Hauses.«
»Danke schön.«
Tina Colin hockte auf der Bank und starrte weinend ins Nichts. Sie hielt ein weißes Taschentuch in der verkrampften rechten Hand und hob nicht einmal den Kopf.
»Die räumen mir die Bude aus, sie meinen, sie finden wichtige Unterlagen.«
»Und? Werden sie was finden?«
Sie schniefte. »Bin ich doof?«
»Nein. Sind Sie nicht. Wie läuft die Sache mit der Illustrierten?«
»Ist seit heute am Kiosk. Der Titel heißt Frau Colins Gewerbe und es ist eine Geschichte über dieses Haus hier und über mich. Natalie spielt eine Nebenrolle. Ich hätte sie in den Tod gejagt. In der Geschichte sind mindestens sechs schwere Fehler. Die haben mich aufs Kreuz gelegt. Und sie werden dafür zahlen müssen.« Sie schnauzte sich in das Taschentuch. »Ich hätte auf Ihre Warnung hören sollen. Wollen Sie irgendetwas? Ein Wasser, einen Saft? Obwohl – die da drinen werden glauben, dass ich was aus dem Haus stehlen will.«
»Nein, danke.« Ich wollte sie provozieren: »Ich nehme an, dass Sie wissen, dass Adrian Schminck vorläufig in Haft sitzt?«
»Ja. Aber Schminck war es nicht.«
»Woher wollen Sie das wissen? Er hat Natalie angeblich geliebt.«
»Das haben angeblich viele.«
»Und Sie haben es zugelassen. Sie haben es tatkräftig unterstützt. Wie viel ist Ihnen für diesen Deal geboten worden? Und behaupten Sie bitte nicht, dass Sie nicht wissen, was ich meine.«
»Nichts.« Das kam so nebenbei wie eine Selbstverständlichkeit.
»Das glaube ich Ihnen nicht. Es ging um einen Siebzig-Millionen-Deal. Und Sie haben das gewusst und sich damit einverstanden erklärt, dass Natalie Schminck ein bisschen auf die Sprünge hilft. Was heißt in diesem Zusammenhang eigentlich ›ein bisschen‹? Natalie hat mit ihm geschlafen. Mit wem, zum Teufel, hat sie eigentlich nicht geschlafen? Und warum bescheißen Sie sich ständig selbst? Warum erzählen Sie mir, dass Sie immer genau wussten, was Natalie tat? Sie wussten es nicht. Von dem Tag ihres Todes wissen Sie nichts, nicht wahr? Wo kann sie hingefahren sein?«
»Ich habe keine Ahnung.« Ihr Gesicht war weiß, kalkig weiß.
Ich fuhr in gemütlicherem Ton fort: »Es kommt sowieso raus, Tina Colin. Irgendwann kommt das alles auf den Tisch. Sie können gar nichts dagegen tun.«
Sie drehte den Kopf zu mir und grinste unter Tränen. »Doch, ich kann etwas tun, ich habe schon etwas getan.«
»Was denn, bitte?«
»Mich in Sicherheit bringen.«
»Nein. Das nutzt nichts.«
»Das nutzt doch etwas.« Sie war nun ganz ruhig. »Ich habe schon einen Anwalt. Aus München. Und ich sage nichts mehr.«
»Das wird nichts nutzen, wenn die Staatsanwaltschaft Ihre Konten findet.«
Es war einen Moment ruhig, irgendwo schimpfte ein Spatz, eine Katze strich in einiger Entfernung durch das hohe Gras.
Plötzlich lachte Tina unterdrückt. Es war so verblüffend, dass ich es nicht glauben mochte. Aber es stimmte wirklich, sie lachte in stiller Heiterkeit.
»Hör zu, Junge. Deine Weste hat viele Taschen. Läuft in einer ein Tonband mit?«
»Nein«, antwortete ich.
»Ich habe dir doch erzählt, dass ich diese Runde beherbergt habe. Viele, viele Jahre lang. Da kriegt man vieles mit. Und man bekommt ein gutes Verhältnis zu Bargeld.« Sie zündete sich eine Zigarette an und schwieg.
»Heißt das, du hast...?«
»Richtig, das heißt es.«
»Du hast es nirgendwo eingezahlt?«
»Nie.«
»Mein lieber Herr Kokoschinskü«, staunte ich ehrfurchtsvoll. »Und was ist bei Feuer, Sturm und
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