Eifel-Müll
zu packen, nach Mannebach zu fahren, sie dort auszuladen und dann den Steilhang hinunterzutragen. Mit so einer Last kann eine Frau das nicht schaffen, sie wäre gestürzt, Natalies Körper wäre gefallen. Natalie war gut einen Kopf größer als ihre Mutter und trotz ihrer Schlankheit bedeutend schwerer. Tina hat für den Müll-Deal achthunderttausend Mark erhalten und ...«
»Was?«, fragte Vera schrill.
»Nicht so ungeduldig, ich wollte gerade davon erzählen«, sagte ich. »Ja, es stimmt, ihr Lieben, sie hat für diesen Müll-Deal achthunderttausend Mark erhalten. Vermutlich war das Geld rabenschwarzer Zaster. Und da ist schon wieder ein loses Ende. Wer, um Gottes willen, hat einfach mal so achthunderttausend Mark Schwarzgeld herumliegen?« Ich berichtete von meinem Gespräch mit Tina Colin. Ich endete:
»Also wiederhole ich die Frage: Wer hat mal so eben achthunderttausend in bar und schwarz?«
»Eine Menge Leute«, behauptete Rodenstock gelassen. »Ich bin kein Wirtschaftsfachmann, aber alle Geschäfte mit Kunst, mit Antiquitäten, mit Waffen, mit Drogen, mit Prostitution, mit Gebrauchtwagen enthalten einen hohen Anteil an Barzahlungen. Ich erinnere mich an eine Gruppe Litauer, die sage und schreibe 2,2 Millionen Dollar in bar bei sich hatten, um hier im westlichen Europa gebrauchte BMWs zu kaufen. Durch einen Zufall ist herausgekommen, dass es sich um Subventionsgelder von der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel handelte. Ich betone: Diese Erkenntnis basierte auf einem Zufall. Ich frage mich also, wie viele solcher Geschäfte laufen, ohne dass sie jemals entdeckt werden. Und ich glaube nach wie vor, dass Natalie getötet wurde, weil sie wahrscheinlich nicht nur Ahnung von dem Müll-Deal hatte, sondern viel mehr von vielen Geschäften dieser edlen Herrenrunde Kenntnis hatte. Etwas ganz Entscheidendes wissen wir nicht: Warum wurde Tina Colin nicht getötet, die doch den gleichen Kenntnisstand von den Geschäften der Herren besaß? Warum lebt sie noch?« Rodenstock schnaufte unwillig. »Kinder, das, was uns an dem Fall verrückt macht, ist doch, dass wir viele Mosaiksteinchen zusammengetragen haben, aber absolut nichts damit anfangen können. Wir haben einen Recherchestau. Und wir haben mindestens vier harte Anwärter auf den Mord an Natalie: erstens Sven Hardbeck, zweitens Vater Hardbeck, drittens Tina Colin, viertens der Erbe der Müll-Millionen. Es kommt noch schlimmer: Im Grunde kommt jeder der Herrenrunde in Bongard in Betracht. Also weitere vier Männer. Das sind schon acht Verdächtige. Jeder dieser acht war in der Lage, einen anderen zu beauftragen, diesen Mord zu begehen. Unter Umständen kommt sogar noch der Pole Ladislaw Bronski infrage, unter Umständen auch die hohe heisere Stimme aus Mannebach, der Herr namens Martin, der dankenswerter Weise Baumeister verprügelt hat.«
»Ha!«, sagte ich. »Er hat's zurückgekriegt. Ich bin der mit Abstand furchtbarste Gegner in der Vulkaneifel.«
Emma lachte. »Nicht zu vergessen zwei Polizeibeamte, die etwas mit den Toten zu tun hatten.«
Der kluge Rodenstock grinste wie ein Wolf. »Das ist die weitere Hemmschwelle, die wir alle hier haben: Es gibt genügend Verdächtige, aber keiner passt uns so richtig in den Kram.« Er schlug sich in plötzlich hochschießender Heiterkeit klatschend auf den Oberschenkel. »Das ist eine Situation, die in Mordkommissionen häufig vorkommt. Wie gut, dass wir keine sind.«
Cisco war jetzt etwa einen Meter von meiner Liege entfernt und ich ahnte eine mittlere Katastrophe, wollte aber abwarten, um unsere Nachdenklichkeit nicht zu stören. Er schob sich nicht mehr Zentimeter um Zentimeter vorwärts, man musste vielmehr in Millimetern rechnen. Selbstverständlich wussten die alten Halunken Paul und Satchmo ganz genau, dass dieses scheußliche Biest namens Cisco sich näherte, und beider Schwänze zuckten gelegentlich und bewegten sich wie Schlangen, während die Kater in unendlicher Mattigkeit die Augen schlössen und ganz langsam wieder öffneten, als sei selbst das eine Anstrengung.
Cisco hatte wieder wenige Millimeter gewonnen. Es reichte nun aus, seine Pfote auf die Liege zu legen und sanft zu winseln. Die Kater waren so ruhig, dass sie nicht einmal mehr ihre Schwänze zucken ließen. Die Hundepfote lag in Höhe meines Kopfes und mir war klar, dass ich möglicherweise als Märtyrer enden konnte. Die zweite Pfote folgte. Dann atmete Cisco puffend aus und schob sich neben meinen Kopf. Langsam, unendlich langsam drückte
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