Eifel-Müll
dich zu einem etwas längeren Gespräch bitten werden. Und ich würde dir nicht raten, dich zu verdrücken. Sie finden dich.«
Sie nickte. »Ich hab ja Geduld«, murmelte sie. »Baumeister, bitte komm mal wieder vorbei auf ein Schwätzchen.« Sie weinte wieder. »Kein Mensch spricht mehr mit mir.«
Ich trollte mich und dachte über diese Tina nach. Über ihre geradezu unglaubliche Energie, sich aus dem Elend herauszuarbeiten. Und darüber, was sie dabei mit ihrer Tochter gemacht hatte.
Ich hatte jetzt die Wahl: Bronski oder – der Reihe nach – seine Herren und Meister?
Als ich auf meinen eigenen Hof abbog, kam mir Vera entgegen. Sie trug ein Tablett mit Brot, Käse, Wurst, Butter und ähnlichen Dingen.
Sie hielt inne und sagte: »Ich bin verunsichert, Baumeister. Ich weiß nicht, ob das gut war mit uns. Ich denke, es tut dir Leid, oder?«
»Nein, wie kommst du darauf?«, sagte ich. »Und es war gut. Bist du wieder nüchtern?«
Sie strahlte, stellte das Tablett auf das Kopfsteinpflaster und umarmte mich. Sie flüsterte: »Ich war so schrecklich durcheinander. Und ich habe einen fürchterlichen Knutschfleck an einer ganz und gar unmöglichen Stelle.«
»Es gibt keine unmöglichen Stellen, es gibt nur christliche Tabuzonen. Wo ist die Stelle?«
»Das sage ich nicht. Was hast du erlebt?«
»Vieles. Aber ich tausche meine Erlebnisse nur gegen die Nennung der Stelle.«
»Du bist verrückt.«
»Das ist richtig. Ist Emma auch wieder nüchtern?«
»Nicht ganz. Mein Gott, Baumeister, sie ist so glücklich. Hast du den Mörder?«
»Nein, noch nicht. Jetzt lass uns das Zeug in den Garten tragen.«
Die Stimmung war friedlich, richtig gut geeignet, an das Ende des Tages zu reisen. Meine Freunde hockten um den Tisch, aßen und redeten miteinander, als sei das Leben eine Sache ohne Komplikationen.
»Du könntest einen Schluck Sekt darauf trinken, dass ich lebe«, sagte Emma.
»Gib mir ein Glas Wasser«, sagte ich. »Euch hier zu haben ist eine gute Sache.« Ich legte mich auf eine Liege. »Rodenstock, was hältst du von der Idee, dass Tina Colin die Mörderin ist?«
»Nicht abwegig«, meinte er nachdenklich. »Das Motiv?«
»Die Unfähigkeit einer Mutter, sich von ihrer Tochter zu lösen. Die Angst einer Mutter, dass die Tochter besser ist als sie selbst. Die Unfähigkeit einer Mutter, ohne diese Tochter zu leben, deren Leben sie formte. Das Begreifen einer Mutter, dass sie einen Wust von Peinlichkeiten schuf, dass sie ihre Tochter manipulierte, in kriminelle Handlungen trieb. Das Begreifen auch, dass alles zu Ende sein würde, wirklich alles, wenn diese Tochter fortgehen würde. Und das Begreifen, dass diese Tochter jetzt gerade dabei war, für immer und ewig zu gehen.«
Der Kater Paul hüpfte auf meine Liege und legte sich neben meinen Oberschenkel. Satchmo folgte und ließ sich zwischen meinen Beinen nieder. Sie schnurrten um die Wette.
»Das ist eine gute Überlegung«, sagte Emma. »Da könnte man dran arbeiten.«
»Nicht abwegig«, wiederholte Rodenstock.
»Aber ein Kopfschuss? Eine Frau – ein Kopfschuss?« Vera schüttelte den hübschen Kopf. »Das widerspricht der kriminologischen Erfahrung.«
»Nicht unbedingt«, wandte Emma ein. »Das ist schon vorgekommen. Du spielst auf diesen Hinrichtungsmodus an, nicht wahr?«
»Genau.«
Rechts von mir ergab sich ein zur Heiterkeit führender Anblick. Cisco näherte sich. Nicht jaulend, nicht winselnd, nicht schnell wie der Wind, sondern platt wie eine Flunder, Zentimeter um Zentimeter.
»Ja«, nickte Rodenstock, »das passt. Es passt sogar verdammt gut.«
»Man müsste wissen, was an dem Tag im Forsthaus los war«, murmelte Emma. »Waren die Männer da versammelt?«
»Das wissen wir«, entgegnete Rodenstock. »Es war niemand da, absolut niemand. Tina Colin hat kein Alibi.«
Cisco war nur noch zwei Meter von mir und meiner Liege entfernt und wurde immer langsamer. Er schnaufte ein bisschen wie ein alter Mann. Wahrscheinlich war das seine Art, meine Kater einzuschläfern.
»Vielleicht hatte sie einen Aussetzer, einen Blackout. Sie hat Natalie getötet und konnte sich hinterher an nichts mehr erinnern«, überlegte Vera.
»Das ist möglich«, sagte Emma. »In Amsterdam gab es mal einen Serienkiller, der grundsätzlich in einen seelischen Rauschzustand verfiel, bevor er tötete. Er konnte sich hinterher nur bruchstückhaft erinnern, an manche wichtige Einzelheit überhaupt nicht mehr.«
»Aber Tina Colin wäre nicht fähig gewesen, Natalie in ein Auto
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