Eifel-Ralley
es stimmt, daß Jonny Irmchen erpreßte oder zu erpressen versuchte oder sich als ihr Zuhälter einnisten wollte, dann paßt das. Das paßt sogar phantastisch. Dann hätte auch Jonnys Mörder ein Motiv: Jonny wußte schlicht zuviel.«
»Aber wie, zum Teufel, kommt Irmchen an die Wahnsinnssumme von 230.000 Mark?«
»Keine Ahnung«, antwortete Rodenstock. »Auf keinen Fall hat sie das in ihrer Wohnung verdient. Es muß das Geld anderer Leute sein. Aber welche Leute sind das? Aus welcher Quelle sind diese Gelder?«
Mein Handy fiepte. Es war Dinah, und offensichtlich war sie wütend: »Falls du die Absicht hast, die Eifel zu verlassen ... warum, verdammt noch mal, sagst du mir nichts davon?«
»Wie bitte?« fragte ich verblüfft.
»Du wirst doch noch Deutsch verstehen«, schnaubte sie. »Warum du die Eifel verlassen willst, frage ich?«
»Aber ich will die Eifel nicht verlassen.« Ich mühte mich um einen möglichst sachlichen Ton. »Ich zahle pro Jahr 11,73 Mark Friedhofsgebühr. Die will ich nicht verfallen lassen. Ich bleibe. Im Ernst, was soll diese dämliche Frage?«
»Hier in deinem Wohnzimmer sitzt eine Frau namens Jessica Born. Sie hat einen Vertrag für dich mitgebracht. Und sie sagt, es ist alles mit dir abgesprochen. Du wirst 400.000 pro Jahr kriegen, Baumeister. Sie sagt, es sei sehr wichtig, und sie will auf jeden Fall auf dich warten. Und sie tut so, als hätte sie schon mit dir im Sandkasten gespielt.«
»Sieh mal einer an«, sagte ich erheitert. »Richte ihr aus, es dauert noch diese oder jene Stunde. Wir haben eine vierte Leiche gefunden.«
»Und wer ist die Leiche?«
»Ein gewisser Jonny. Davon erzähle der Dame aber nichts. Schöne Grüße, ich komme bald.«
»Ja, und was ist mit dem Vertrag?«
»Den möchte ich gern mit Genuß lesen«, sagte ich. »Und dann werde ich dir erklären, was es damit auf sich hat. Und jetzt mache ich Schluß, und dir rate ich zu einem halben Liter Baldriantee.« Ich unterbrach und feixte zu Rodenstock rüber. »Jessica Born hockt zu Hause mit einem Vertrag für mich.«
»Sieh einer an«, auch er war erheitert. »Der Herr von Schöntann möchte gern dein Schweigen vertraglich besiegeln. Sieh einer an. Soviel ist mir mein ganzes Leben lang noch nicht angeboten worden. Das heißt, das stimmt nicht ganz. Ein Millionär aus Mainz wollte mir eine Million dafür bezahlen, daß ich übersah, daß seine Ehefrau ein gebrochenes Rückgrat hatte.«
»Dinah ist sauer. Sie glaubt, ich will auf den Vertrag eingehen und die Eifel verlassen.«
»Das kannst du doch leicht klarstellen. Außerdem hast du mich als Zeugen.« Er wandte sich an Peter. »Willst du morgen mit nach Luxemburg? Eis essen?«
»Eis«, strahlte Peter. Dann zeigte er auf das Zelt. »Polizei?«
»Polizei«, nickte Rodenstock.
Peter faßte mich erneut am Arm. »Alice nackt.«
»Ich brauche etwas, um ihm vorzulesen«, sagte ich. »Hast du was?«
»Nichts.«
»Kein Buch«, erklärte ich Peter.
»Morgen Alice nackt?« Er war geduldig mit diesen merkwürdigen Erwachsenen.
»Morgen Alice nackt.« Ich legte mich lang in das Gras und bildete mir ein, unten nicht diesen widerlich süßen Gestank riechen zu müssen.
»Eis essen«, sagte Peter und legte sich neben mich. Er nahm einen Grashalm und kaute darauf herum. »Eis essen. Walter.«
»Hat er Walter gesagt?« fragte Rodenstock wie elektrisiert.
»Hat er.«
»Dann war Walter auch in Luxemburg. Sie fuhren zu dritt. Irmchen, Peter, Walter.«
»Irmchen, Peter, Walter«, gluckste Peter. »Eis essen.«
»Das ist logisch«, murmelte Rodenstock. »Das ist sogar sehr logisch.« Er kam zu uns und hockte sich im Schneidersitz hin, ohne sich dabei aufzustützen. Er nahm zwar bei jeder Gelegenheit in Anspruch, ein alter Mann zu sein, aber solche Kunststückchen, an der schon Zwanzigjährige scheitern, vollbrachte er nebenbei. »Ich möchte wissen, wer Peter ärztlich betreut. Es muß irgendeinen Doktor geben, der sich um ihn kümmert.«
»Salchow?« fragte ich Peter.
Er sah mich an, und in seinen Augen war so etwas wie Verstehen. »Salchow nein. Friedemann.«
»Doktor Friedemann?« fragte Rodenstock.
»Nein. Renate.«
»Renate«, sagte Rodenstock. »Wahrscheinlich eine Sozialpädagogin. Er hatte bisher den Namen Walter nicht erwähnt, oder?«
»Nein. Aber warum er ihn jetzt sagt, ist klar: Walter war Teil der Tour nach Luxemburg. Eines allerdings kapiere ich überhaupt nicht: Wieso war Walter dabei, wenn Irmchen Bargeld nach Luxemburg verschob? Walter und
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