Eifel-Ralley
tun? Mit Irmchen? Mit Walter Sirl? Ich denke, wir haben andere Probleme als meinen Vater. Im übrigen ist er tot.«
Eine Weile schwieg er und sah mich von der Seite an. »Ich bin aber dein Freund«, sagte er dann. »Mich interessiert das, und mich geht das auch was an.«
Er ging mir gewaltig auf die Nerven, aber er hatte recht. »Tut mir leid. Ich werde von ihm erzählen, wenn wir Zeit haben. In zwei Minuten stehen wir vor Peters Haus.«
»Ist mir recht«, knurrte er zufrieden.
Es war für mich ein wenig so, als käme ich heim. Das Haus lag in der Sonne, der Wald dahinter rauschte leise, die Rosen links und rechts der alten Tür nickten im Wind. Zu hören war nichts.
»Wahrscheinlich ist er wieder in der Scheune«, sagte Rodenstock. »Ich schau mal nach.« Er zog die breite Tür auf und rief: »Peter?« Dann kam er zurück. »Nichts.«
Ich ging ins Haus, die Tür war nicht verschlossen. Peter war auch dort nicht.
»Wir sollten warten«, schlug Rodenstock vor.
Also warteten wir, hockten auf alten Kiefernstämmen, die neben der Scheune lagen. Als Peter erschien, waren gerade zwanzig Minuten vergangen, und offensichtlich war er guter Dinge.
Er kam die schmale, alte Straße hochgelaufen, raumgreifend und vollkommen mühelos. Der ganze Körper bewegte sich in einem wiegenden Rhythmus.
Als er uns sah, winkte er erfreut und wurde schneller. Dann gab er uns die Hand, verbeugte sich dabei, und zu unserer Überraschung sagte er nicht: »Alice nackt«, sondern: »Peter Adenau.« Dann hockte er sich zwischen uns auf die Stämme und wartete.
»Warst du bei Petra?« fragte Rodenstock.
»Nein. Peter Adenau. Nur gucken.«
»Aha«, sagte ich. »Wir kommen vorbei, um dich nach einem Mann zu fragen. Er fährt eine schwarze Kawasaki und heißt Jonny. Mehr wissen wir nicht.«
Peter wurde augenblicklich unruhig, fuchtelte mit den Händen, bewegte die Beine auf und ab, sagte aber kein Wort.
»Kennst du Jonny?« fragte ich weiter.
Er nickte, schwieg aber weiter.
»Jonny nicht gut. Jonny ist nicht gut für Irmchen«, murmelte ich.
»Jonny nicht gut!« sagte er erleichtert. »Jonny böse. Irmchen sagt, Jonny böse. Böser Mann.«
»Wo wohnt Jonny?« fragte Rodenstock.
»In Rieden«, sagte er. »Aber Jonny Wald.«
»Wieso Wald?« fragte ich.
»Wald«, nickte er und faßte meinen Oberarm. »Komm, wir Jonny.«
Er stand auf und rannte los, einfach die Straße wieder hinunter.
»Heh«, schrie ich, »langsam. Ich bin ein alter Mann. Komm, wir fahren mit dem Auto.«
Er erwiderte nichts, lief einen Bogen und kam zurück. Er setzte sich neben mich in den Wagen und grinste: »Peter schneller.«
Rodenstock auf der hinteren Bank lachte leise.
Peter wies uns auf die Bundesstraße, dann nach rechts in den Ort hinein. Nach wenigen hundert Metern zeigte er auf einen Feldweg, der nach links in die Felder führte. Es ging in ein Tal. Jenseits des Tales war dichter Wald, Eichenbestand mit Birken durchsetzt. Sehr viel Ginster, sehr viel Brombeerranken. Dann endete der Weg.
Peter stieg aus. »Gut«, nickte er. Er bückte sich unversehens zu einer blaßrosa blühenden Malve. »Schöne Blume. Irmchens Blume.«
»Sehr schön!« bestätigte Rodenstock und fragte unvermittelt: »Warst du mit Irmchen in Luxemburg?«
Peter verhielt mitten im Schritt, drehte sich zu Rodenstock. »Luxemburg. Eis. Eis gegessen.«
»Toll«, sagte Rodenstock zufrieden mit sich selbst.
»War das Intuition?« fragte ich.
»Es war logisch«, erklärte er. »Ich beginne jetzt zu begreifen, daß Irmchen und Peter dauernd zusammen waren. Wenn Peter in der Lage wäre, aus seiner Kindlichkeit herauszutreten und nur zehn Minuten zusammenhängend zu berichten, wüßten wir wahrscheinlich alles.« Er wandte sich erneut an Peter. »Luxemburg. Eis essen. Gutes Eis. Geld? Geld bei Irmchen?«
»Geld bei Irmchen«, nickte Peter.
»Ich wette, er erkennt sogar die Bank wieder«, flüsterte Rodenstock. »Aber ich will ihn nicht überfordern.«
»Ich möchte wissen, was wir hier sollen«, fragte ich. »Schöne Landschaft, aber was hat die mit Jonny zu tun?«
»Das wird er uns zeigen«, antwortete Rodenstock. Er sagte zu Peter: »Also los, Jonny!«
Peter lachte und wiederholte: »Also los! Also los!« Wieder berührte er meinen Arm. »Langsam!« sagte er vertraulich. »Sehr langsam. Alter Mann.«
Rodenstock grinste fröhlich.
Es ging bergauf, erst steil, dann sanfter. Peter ging voraus und zeigte nicht eine Sekunde lang Unsicherheiten. Er wußte offenbar genau, wohin er
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