Eifel-Ralley
diese Gaunereien passen nicht zusammen.«
»Richtig«, sagte Rodenstock nachdenklich. »Ich denke aber auch, daß Irmchen das nicht freiwillig machte, oder?«
»Vielleicht«, gab ich zu. »Jonny hat hier sein Zelt aufgeschlagen, weil er wußte, daß wieder Geld transportiert wird. Er wollte Irmchen überwachen, um herauszufinden, wann das passiert. Dann greift er ein und nimmt sich das Geld. So sollte das vermutlich laufen.«
»Du bist sehr hellsichtig«, lobte Rodenstock. »Guck mal, da kommen die Herren.«
Sie kamen ästebrechend den Hang hinauf und keuchten. Einer stöhnte: »So ein verdammter Scheiß.« Sie waren zu fünft.
»Es tut mir aufrichtig leid«, versicherte Rodenstock. »Da steht ein Zelt, da steht die Kawasaki, und da liegt der Tote. Angeblich heißt er Jonny. Sieh einer an, mein Musterschüler Kwiatkowski.«
Der Mann, der Kwiatkowski hieß, sehr dürr und sehr kurzatmig war, grinste mühevoll und reichte Rodenstock die Hand. »Du hast mir mal prophezeit, ich werde ein guter Spurenmann. Ich bin ein guter Spurenmann.«
»Glückwunsch.« Offensichtlich war Rodenstock froh, diesen Kwiatkowski wiederzusehen. »Ich mache dich darauf aufmerksam, daß ich ihn umgedreht habe. Ich mußte sehen, ob er eine Wunde hat.«
»Hat er eine?«
»Nicht sichtbar.«
»Wieso zeltet der hier?«
»Weil er wahrscheinlich Irmchen belauerte. Die wohnt in diese Richtung, und wenn du ein paar Meter gehst, dann siehst du das Haus. Wir sind in unseren Überlegungen so weit, daß wir inzwischen glauben, daß die ganze Geschichte ausschließlich mit Geld zu tun hat. – Wir müssen weg. Kannst du mich zuerst anhören?«
»Gerne«, nickte Kwiatkowski. »Ich will dich doch nicht davon abhalten, für uns den Fall zu knacken. Hast du irgendeinen Mörder in petto? Ich meine, so ganz heimlich?«
»Nicht die Spur«, erwiderte Rodenstock. »Aber daß du mir das zutraust, finde ich wunderbar.«
»Du warst schon immer ein Überflieger.« Kwiatkowski klang gönnerhaft und ironisch. »Also los, versprüh deine Weisheit.« Er nahm einen Notizblock aus der Tasche, und sie gingen drei Schritte abseits, um sich zu konzentrieren.
»Peter Eis essen. Alice nackt.« Peter stand auf und sah mich an.
»Okay«, nickte ich. »Eis essen. Alice nackt.«
Kwiatkowski hatte das mitbekommen, und er sah mich mit weiten Augen an. »Kannst du mir den Code anreichen, Fremder?«
»Geht nicht. Code unbekannt. Das ist ja das Leid.«
»Alice nackt, hm?«
»Alice nackt!« strahlte Peter. Dann beugte er sich vor und küßte mich mal wieder auf die Stirn.
Wir fuhren zehn Minuten später und ließen Peter zurück. Irgendwie tat mir das leid.
»Der Kwiatkowski ist einsame Klasse«, erklärte Rodenstock. »Wir hatten einen Tatort aufgebaut, der wirklich viehisch kompliziert war. Und wir gaben vor, es wären drei Täter gewesen, zwei Frauen, ein Mann. Von zwanzig Schülern schaffte keiner eine gute Analyse, obwohl sie den Tatort genau untersuchen konnten. Dann kam Kwiatkowski. Er stellte sich hin, er ging nicht durch, räumte nichts beiseite, er holte keine Lupe aus der Tasche, zog keine Einweghandschuhe an, machte keine Fotos. Er stand da einfach und guckte. Ich weiß noch, daß die Prüfungskommission der Meinung war, der Kerl sei schlicht faul. Aber dann diktierte er den genauen Tatablauf. Er diktierte ihn so, wie wir Prüfer das uns vorgestellt hatten. Es gab eine Heidenverwirrung, weil sofort der Verdacht aufkam, irgend jemand hätte ihm die Lösung gesteckt. Um diesen Verdacht zu entkräften, konstruierten wir einen zweiten Tatort, noch verrückter, noch komplizierter. Er stellte sich wieder hin, brauchte ungefähr fünfzehn Minuten. Dann strahlte er mich an und sagte: Herr Kriminalrat! Sie haben beim Tatort einen Fehler gemacht. Die Stichwunde bei dem Toten sitzt zu tief für die Annahme, die Frau habe zugestochen. Und er hatte recht. So etwas kann man, oder man kann es nicht. Was jetzt?«
»Wir suchen einen Stammgast von Irmchen. Irgendeinen. Wir brauchen eine Beschreibung. Ich will mir vorstellen können, wie das da ablief. Und vorher würde ich gern einen Happen essen.«
»Zu Hause wartet diese Jessica Born auf dich.«
»Du lieber Himmel, das habe ich vergessen. Also essen wir zu Hause einen Happen.«
»Einverstanden. Aber vergiß den Stammgast nicht. Das ist nämlich eine gute Idee.«
»Ich habe nur gute Ideen«, murmelte ich. »Schließlich bin ich dein Schüler.«
Ich fuhr die Strecke Kirmutscheid, Nohn, Bongard, und als ich auf den Hof
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