Eifel-Schnee
weißen Turm verwandelt, der Reif lag kiloschwer auf den durchgebogenen Ästen. Ich stopfte die kurze DC, die statt eines pompösen Namens nur die Nummer 195 trug, und paffte vor mich hin. Dinah erschien in der Haustür. »Wo bleibst du denn?«
»Ich bin froh, mal allein zu sein«, knurrte ich.
Sie grinste. »Das wird schon wieder, Baumeister. Sie reißen dein Haus schon nicht ab.« Dann verzog sie die Nase. »Ich kann das verstehen. Ich würde jetzt auch lieber mit dir in der Badewanne hocken.« Sie ließ mich in Ruhe und verschwand.
Ich schleppte ein paar Arme voll Holz und eine Handvoll Briketts in das Arbeitszimmer. Der Ofen war noch an und loderte hell auf, als die trockenen Buchenscheite Feuer fingen. Ich holte mir ein Kissen und blieb vor dem Feuer hocken.
Es war schon dunkel, als der erste Anruf kam. Es war ausgemacht, daß ich an das Telefon gehen sollte. Jemand sagte mit starkem niederländischen Akzent: »Van Straaten hat das Geschäft verlassen. Er hat nicht telefoniert. Er bewegt sich aus der Stadt heraus Richtung Autobahn. Wir nehmen an, daß er nach Amsterdam zu seiner Familie wechselt. Wir sind hinter ihm. Drei PKW, zwei Kleinlaster. Er macht einen ruhigen Eindruck.« Dann klickte es.
»Er fährt von uns weg, statt in unsere Richtung zu kommen«, berichtete ich.
»Das war zu erwarten«, sagte Emma geduldig. »Wir müssen ihm Zeit lassen, mit der Situation richtig umzugehen. Er ist doch ganz verwirrt, der Arme.«
Dann klingelte erneut das Telefon. Diesmal war es Mario, der aufgeweckt forderte: »Hast du nicht ein paar Witze auf Lager? Mir ist so langweilig.«
»Habe ich nicht«, sagte ich. »Bitte um Verständnis, aber ich brauche ein freies Telefon.«
»Natürlich«, meinte er schnell und hängte ein.
Im Westen hatte der Himmel dicht über der Kimm einen intensiv roten Streifen, es würde noch kälter werden. Die Zeit wurde bleiern und blieb schließlich stehen, nichts schien sich zu bewegen.
Endlich hörte ich erneut die holländische Stimme. »Wir fahren jetzt wirklich auf Amsterdam zu. Er hat im Wagen ein paarmal telefoniert, aber wir haben keine Abhörmöglichkeit. Ende.«
»Keine Panik, Leute«, beruhigte Emma. »Er ist uns ganz sicher.«
»Dein Wort in Gottes Ohr«, schnaufte Rodenstock. »Und was, wenn er gar nicht in Junkerath auftaucht?«
»Dann schalten wir auf Plan B um und servieren ihm Monika zum zweitenmal«, erwiderte sie kühl. »Rodenstock, hast du geschlafen?«
»Nicht doch, nicht doch«, murmelte er. »Man macht sich nur so seine Gedanken.«
Mir wurde es zu eng, und ich marschierte mit meinem Handy in den ersten Stock. Ich legte mich auf mein Bett und las in Michael D. Coes Das Geheimnis der Maya Schrift, aber wenn ich ehrlich bin, war ich nicht bei der Sache und verstand kein Wort. Ich hörte, wie die anderen sich kurz vor Mitternacht voneinander verabschiedeten und wie Emma sagte: »Wir können ganz ruhig schlafen.«
Gerade als Dinah sich zu mir gesellte, fiepte das Handy und die holländische Stimme meldete: »Wir haben ihn verloren. Wir haben ihn verloren. Ungefähr sechs Kilometer vor der Stadtgrenze von Amsterdam. Wir bitten um Instruktionen. Ende.«
Ich brachte das Handy zu Emma und sagte: »Die erste Panne. Du sollst deine Leute anrufen.«
Sie war irritiert, fing sich aber schnell. »Das kann nicht schlimm sein, das haben wir gleich.«
Rodenstock machte ein besorgtes Gesicht.
Ich ging zu Dinah zurück und legte mich neben sie.
»Kann ich dich irgendwie ablenken?« fragte sie träge.
»Van Straaten ist ihnen entwischt.«
»Und wenn schon. Emma ist doch kein heuriges Häschen mehr. Baumeister, mach dich nicht verrückt. Ein solches Ding ohne Panne ist unmöglich. Und das weißt du.«
Draußen vor der Tür rief Emma hell: »Siggi, hier ist dein Handy. Es ist alles klar. Sie werden ihn wiederfinden.«
Ich ließ mich auf keine Diskussion ein, holte das Handy und wünschte ihr eine gute Nacht.
Wenig später hörten wir, wie sie und Rodenstock lachten.
»Geh gut mit ihr um«, murmelte Dinah. »Gib ihr die Chance, der Boß zu sein.«
»Die hat sie schon«, sagte ich gallig, aber ich wußte, ich war unfair.
»Nehmen wir an, ich kriege ein Kind«, flüsterte Dinah. »Nehmen wir weiterhin an, es wird ein Mädchen und wir nennen es Sophie. Sie wird vierzehn oder sechzehn und will zu ihrem Geburtstag einen Joint rauchen. Was würdest du tun, was würdest du auf ihre Bitte erwidern?«
»Ich würde wahrscheinlich Verständnis haben, aber Angst hätte ich
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