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Eifel-Schnee

Eifel-Schnee

Titel: Eifel-Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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eingebleut. »Der ist viel zu schmal, und die Gefahr, daß dir ein Fuß umknickt, ist zu groß. Du gehst in der Straßenmitte, Autos fahren dort nur selten, du kannst also in der Fahrbahnmitte gehen. Du ziehst die Kapuze deines Parkas über den Kopf. Und du streifst die Kapuze ab, wenn du ganz sicher bist, daß er dich im Blick hat. Erst dann, wirklich erst dann.«
    Monika lief langsam und scheinbar ohne jede Erwartung, auf eine gewisse Weise wirkte sie trostlos einsam wie eine junge Frau, deren Liebe zerbrochen ist. Hinter ihr tauchte ein flacher Chrysler auf, wir sahen ihn, hörten ihn aber nicht. Er glitt unendlich langsam hinter dem Mädchen her und hielt sich sehr eng an der Bordsteinkante.
    »Emma macht das richtig gut«, raunte Rodenstock stolz.
    »Wo ist sie denn?« fragte Dinah.
    »Was weiß ich«, murmelte er.
    Jetzt hielt der Chrysler.
    »Sie ist da«, sagte Dinah etwas zu laut, wenngleich niemand auf uns achtete.
    Die schmale Figur hatte haltgemacht, war zwei Schritte auf das Schaufenster des Antik-Ladens zugegangen, den Kopf betont hoch. Es kam mir vor, als würde dort eine extreme slow motion ablaufen. Monika hob ihre Hand, ihre linke, und streifte die Kapuze vom Kopf. So stand sie da, und hätte sie geschrien: »Schau mich genau an!«, so hätte mich das nicht gewundert. Dann duckte sie sich in unsere Richtung ab. Sie machte drei oder vier langsame Schritte, bis sie aus dem Blickwinkel van Straatens herausgetreten war. Schließlich bog sie in die Gasse ein, die zum Kirchplatz führte.
    Die Schnauze des Chryslers neigte sich weit nach vorn. Jetzt hörten wir den Motor. Der Wagen schoß Zentimeter an van Straaten vorbei, der aus seinem Laden gestürzt war und die Straße hinauf- und hinunter starrte. Er blieb eine ganze Weile dort, als glaubte er nicht, was er gesehen hatte. Dann ging er mit gesenktem Kopf in seinen Laden zurück. Eines war sicher: Der beherrschte Mann war aus der Fassung geraten.
    »Vorhang«, sagte Rodenstock. »Jetzt können wir nur noch beten.«
    Wir trafen uns am Präsidium und nahmen Monika in den Arm, die wächsern blaß und zittrig war und nicht wußte, ob sie lachen oder weinen sollte. »Er sah mich, Leute, er sah mich. Das Glas spiegelte etwas, aber ich konnte trotzdem erkennen, wie seine Augen ganz groß wurden. Sein Mund ging auf, als wollte er irgend etwas schreien. Was glaubt ihr, liebte er Betty?«
    »Ich denke schon«, nickte Emma. »Auf eine gewisse Weise waren sie sich vermutlich ähnlich. Freibeutertypen.«
    Sie ließ sich von einem Streifenwagen in ihre Wohnung fahren, um ein paar Sachen einzupacken. Als sie wiederkehrte, flüchtete sie sich an Rodenstocks breite Schultern, und es war ihr vollkommen gleichgültig, daß ein uniformierter Konstabier ihres Präsidiums dabei zusah.
    »Bis jetzt«, sagte Emma dann spitz, »hatten wir nichts als einen Haufen Glück. Aber ihr Bild hat sich in seinem Herzen eingenistet. Das wird sein Krebs sein.«
    Rodenstock starrte sie verblüfft an, als sehe er sie zum erstenmal.
    Wir machten uns auf den Heimweg, das Lockmittel war gelegt, Emmas Leute waren längst vor uns auf der Autobahn und fuhren zu dem Bauern namens Adolphi in die Eifel, von dem sie noch nie im Leben vorher gehört hatten. Ich trat aufs Gas, bis Rodenstock spöttelte, es sehe so aus, als bekäme ich es bezahlt. Darauf wurde ich langsamer, und die Gesichter im Rückspiegel wurden etwas weicher. Dinah legte mir von hinten sanft einen Arm auf die Schulter; es war sehr gut, daß es sie gab.
    »Will jemand wetten, daß ich es schaffe?« fragte Monika hell.
    Niemand wollte das, und sie stotterte: »Bloß keine gute Laune, Leute.«
    Emma fragte in Höhe Wißkirchen: »Haben wir irgend etwas Wichtiges vergessen?«, und gab sich selbst die Antwort: »Haben wir nicht, wir sind nämlich gut.«
    Das Gelächter wirkte befreiend.
    Ich suchte nach Nachrichten im Radio und stieß auf die wahrhaft entsetzliche Institution RTL – Der Oldiesender, in dem die Nachrichten den gleichen Stellenwert haben wie das Goggomobil bei Mercedes. Immerhin brachten sie rund fünf Meldungen, wovon die aufregendste war, daß Queen Elizabeth ihrem Charles befohlen habe, sich so schnell wie möglich scheiden zu lassen. Sie transit gloria mundi.
    Ich rollte auf den Hof, ließ alle aussteigen und lenkte den Jeep in die Garage. Momo und Paul kamen zu mir, und ich ließ ihnen den warmen Jeep. Sie rollten sich nach zwei Minuten friedlich nebeneinander ein. Der Nebel hatte meine große Birke in einen strahlend

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