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Eifel-Sturm

Eifel-Sturm

Titel: Eifel-Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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konnte eine Täuschung sein, eine Spiegelung.
    »Und jetzt Annette!«, flüsterte Vera scharf.
    Ich überlegte einen Augenblick. Annette war nicht mehr aus dem Spiel zu halten. Die Frage war nur: Sollte ich die Wahrheit sagen oder brachte ich besser einen Bluff?
    Ich hatte keine Zeit, ich entschloss mich zu dem Bluff. Es gibt eine Form von Unterstellung, auf die nahezu jeder hereinfällt. Man tut ihm damit einen Gefallen, man liefert ihm Verständnis und gleichzeitig eine Entschuldigung für jeden Fehltritt.
    »Reden wir von Annette, reden wir von deiner Heiligen. Ich will dich verstehen lernen, kapierst du das? Ich weiß, dass du in einem Blackout gehandelt hast. Ich weiß, dass es ein übermächtiger Zwang war. Aber spiel doch jetzt nicht den Coolen. Und mach uns vor allem nicht vor, dass das alles geplant war. Nichts war geplant, gar nichts.«
    Ich machte eine Pause, dehnte sie bis zur Unerträglichkeit.
    »Ich weiß auch, dass sie dich in der letzten Zeit schäbig behandelt hat. Würdest du bitte so höflich sein und mir wenigstens über Annette Auskunft geben? Dann verschwinde ich wieder, ich will nur die Wahrheit. Und du kannst tun und lassen, was du willst. Ich werde dich nicht einmal daran zu hindern versuchen, dich selbst umzulegen.«
    Keine Reaktion.
    Ich wollte gerade mit der Beschimpfung fortfahren und suchte nach Formulierungen, da sagte er: »Du kannst reinkommen. Aber allein und nur fünf Minuten. Und dann gehst du wieder.«
    »Dann gehe ich wieder«, nickte ich.
    »Viel Glück«, sagte Vera leise. »Das ist schon mal die halbe Miete.«
    »Geh liebevoll mit ihm um«, gab mir Rodenstock mit auf den Weg.
    Ich ging los und je näher ich dem Haus kam, umso mehr Furcht erfüllte mich. Bastian hatte nicht den geringsten Grund, mich zu schonen. Wahrscheinlich würde er mir all das sagen, was er sich seit vielen einsamen Stunden vorbetete. Dann würde er schießen.
    Er machte die Tür einen Spalt weit auf. »Komm rein.«
    Es roch nach irgendetwas, das ich kannte. Nach Vanille. Räucherstäbchen, das war es. Hinter mir wurde die Tür geschlossen.
    »Du kannst dich da an den Tisch setzen«, befahl er.
    Es gab zwei Stühle, einer stand unmittelbar rechts neben mir. Ich setzte mich. Der Tisch war alt, braunes Holz, eng gemasert, Eiche. Darauf eine Vase mit wilden Wiesenblumen, frisch gepflückt. Rechts neben der Vase ein Aschenbecher, bis zum Rand voll mit Zigarettenkippen. Nahe der Tischmitte ein Holz, das ein brennendes Räucherstäbchen hielt. Der Rauch kräuselte sich gegen die Decke. Rechts, etwa zwei Meter entfernt, ein Bett, französische Maße, ein Anderthalbbett, wie man in der Eifel sagt. Daneben ein kleines Tischchen mit vielen angebrannten Kerzen. Vor den Fenstern jeweils ein breites Brett. Bücher standen darauf, Dosen für irgendwelchen Krimskrams. Unter dem Fenster gegenüber lag eine doppelläufige Schrotflinte. Rechts vor dem Fenster stand eine Winchester – ob es eine 44er war, konnte ich nicht entscheiden, ich verstehe nicht genug davon. Links vor dem Fenster lag eine schwere automatische Waffe. Es musste eine Maschinenpistole sein. Das Fenster hinter mir konnte ich nicht sehen, ich wollte mich nicht herumdrehen.
    »Warum hast du so viele Waffen? Wirst du bedroht?«
    »Ich habe sie mal gesammelt. Da war ich jünger. Du weißt ja, wie das ist, wenn man jünger ist.« Seine Stimme klang angenehm.
    »Ja, das weiß ich. War Annette oft hier? Es ist hübsch. Darf ich rauchen?«
    »Ja klar, kein Problem. Was wollen die Bullen eigentlich?«
    »Na ja, zuerst mal wollen sie mit dir sprechen. Rein informativ. Du kennst das ja. Das ist wie im Krimi. Du bist wichtig für sie, du hast Annette gut gekannt.«
    »Ich bin der Einzige, der sie gut kannte.« Das klang stolz. »Ich bin überhaupt der Einzige, mit dem sie gelebt hat. Das war hier.« Er stand noch immer irgendwo hinter mir und rührte sich nicht.
    »Wie lange ging das zwischen ihr und dir?«
    »Jahre, viele Jahre. Seit ich denken kann. Kurz nach dem Unfall fing es an. Als ich aus der Reha kam und wieder zu Hause war.«
    »Was war sie denn so für ein Mensch?«
    »Sie war mein Mädchen.« Das kam schnell. »Sie hat immer gesagt, das Haus hier wäre der einzige Platz auf der Welt, an dem sie träumen kann. Dein Tabak riecht gut. Wie heißt der?«
    »Der hat keinen Namen, ich mische ihn selbst.«
    »Ich habe auch mal versucht, Pfeife zu rauchen. Das brannte so auf der Zunge, da habe ich es wieder gelassen.«
    »Die meisten machen den Fehler, die Pfeife

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