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Eifel-Sturm

Eifel-Sturm

Titel: Eifel-Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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passiert ist.«
    »Was ist denn da passiert?«, fragte ich freundlich. »Ich weiß wirklich nicht genau, was du jetzt meinst. Willst du nicht endlich alles erzählen?«
    »Ja, ja«, sagte er eifrig. »Also, Driesch war tot. In Monschau. Und ich habe gesehen, dass Annette deswegen geweint hat. Und ich habe ihr gesagt, Driesch ist bestraft worden dafür, dass er dich weggerissen hat von mir. Sie hat mich angeschrien, ich hätte keine Ahnung. Sie hat geschrien, ich sei doch verrückt. Nur verrückt. Warst du das vielleicht?, hat sie geschrien. Lauter solche Sachen. Wir hatten hier doch alles, ein Haus und so.« Er neigte den Kopf über den Tisch.
    Ablenken, lenk ihn ab, Baumeister. »Du hast so schön vom Streicheln erzählt. Hat sie dich gestreichelt und du sie? War das so?«
    War das eine Ablenkung? Es war eine, er strahlte mich plötzlich an. »Ja, so war das. Viele Male. Ich habe alles aufgeschrieben, ich habe ein Tagebuch. Viele Seiten, sehr viele Seiten. Ich habe sie auch fotografiert. Willst du mal sehen?«
    »O ja, sehr gerne.«
    Er stand auf, er hatte vollkommen vergessen, dass draußen Kischkewitz mit seinen Leuten lauerte. Es war ihm gleichgültig, er hatte einen Zuhörer, endlich hörte jemand zu. Er kramte hinter dem Bett herum. Vor mir auf dem Tisch lag die blauschimmernde Waffe. Ich griff nicht danach, ich wollte nicht zu denen gehören, die ihn belogen.
    Er kam mit einem grünen Leinenbuch zurück. »Mein Album!«, erklärte er stolz. Er legte es vor mich hin. »Du darfst gucken. Du darfst das.«
    Ich blätterte das Buch auf.
    Auf der ersten Seite hatte er ihr Porträt in ein mit rotem Filzstift gezogenes Herz geklebt. Sie war eine hübsche Frau gewesen, eine mit einem entwaffnenden Lachen. Die nächsten Seiten zeigten Annette auf einer Decke auf der Wiese, Annette auf der Bank vor dem Haus, Annette im Bikini, Annette an diesem Tisch.
    »Guck mal«, sagte er und blätterte ein paar Seiten weiter. »Streichelbilder.«
    Sie nackt auf dem Bett, er nackt auf dem Bett, nicht obszön, aber eindeutig. Dann eine Nahaufnahme ihrer Scham, ihrer Brüste, ihres Mundes.
    »Sie hat gesagt: Fotografier mich. Ich mag das. Das hat sie gesagt.«
    »Und sie hat auch gesagt, sie wollte dich heiraten?«
    »Hat sie immer gesagt. Damals.«
    »Und seit wann wollte sie das nicht mehr?«
    »Seit Sommer vorigen Jahres. Sie sagte: Ich kann nicht mehr mit dir gehen. Ich habe gefragt, wieso. Aber sie hat nur gesagt, ich kann nicht mehr. Dann kam diese Windrad-Geschichte und sie war oft weg.«
    »Kannst du dich erinnern? Daran, wie sie aus dem Wald geritten kam?«
    »Klar. Oben an der Jugendherberge. Da war ich, ich wollte mit ihr reden. Ich sagte, du musst mit mir reden. Sie wollte nicht, sie schrie: Hau ab!« Er beugte wieder den Kopf nach vorn, er weinte still.
    »Bastian, erinnere dich ... Wann bist du wach geworden? Hinter dem Weidenbusch? Oder später?«
    »Ich weiß nicht. Sie schrie irgendwas. Ja, sie schrie: Hau ab! Du mit deinem blöden Gewehr! Solche Sachen.« Er verkrampfte sich, seine Hände schlössen sich zu Fäusten, wurden ganz weiß. »Ich bin im Wald, ich renne um das Dorf hier hoch. Ich warte.«
    »Auf was wartest du?«
    »Dass sie kommen.«
    »Wer soll kommen?«
    »Na ja, die Bullen oder ... Ich weiß nicht.« Er hatte jetzt das Gesicht eines Träumers, ganz weich und in sich versunken. Er war nicht von dieser Welt. Er stand auf: »Sie musste weg, sie musste wieder mal weg. Geh aus dem Weg, sagte sie. Ich sagte: Ich bin der Bastian. Aber sie hörte nicht.« Er machte ein paar Schritte zum gegenseitigen Fenster hin. Da lag das Gewehr, das ich für eine Winchester hielt. Er nahm es und stellte es mit dem Kolben auf den Fußboden. Dann bückte er sich zu dem Lauf hinunter.
    Ich zielte nicht, ich schoss einfach. Es klang mörderisch laut und schmetterte seinen Kopf gegen die Fensterscheibe. Ein Klirren, dann war es schrecklich still. Bastian drehte sich um und sah mich an. Kein Vorwuf, kein Erstaunen, nur so etwas wie Endgültigkeit. Er fasste sich an den Hintern und stöhnte. Dann kam seine rechte Hand mit dem Gewehr wieder hoch. Die Hand war blutig. Er fiel nach vorn auf sein Gesicht.
    Hinter mir knallte die Tür auf, Vera stand da und hielt die Waffe beidhändig.
    »Okay«, sagte ich matt. »Ich habe ihn in den Arsch geschossen, sonst nichts.«
    Sie war mit zwei Sprüngen an mir vorbei und stand über Bastian. »Hat er es getan?«
    »Ja, er hat es getan, er hat davon erzählt. Mein Gott, ich muss kotzen.«
    »Hat

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