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Eifel-Sturm

Eifel-Sturm

Titel: Eifel-Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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signalisiert, dass sie zahlen werden. Aha, die Dame namens Vera.«
    Die Frau saß im Gras hinter einem krüppeligen Weißdorn, der die Höhe von einem Meter noch nicht erreicht hatte. Sie hatte die Waffe neben sich liegen und daneben eine Schachtel Marlboro mit einem Feuerzeug und ein Päckchen Kaugummi.
    »Hallo«, sagte sie. »Nehmen Sie Platz. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Tee? Kaffee? Ein paar belegte Brote vielleicht?«
    »Kaviar mit gehackten harten Eiern«, sagte ich. »Und bitte einen Chablis dazu und altbackenes Weißbrot.«
    »Kommt sofort«, lächelte sie.
    Sie war schlank, vielleicht 170 Zentimeter groß, hatte die dunkelbraunen Haare zu einem Dutt geformt. Ihr Gesicht war schmal mit hohen Jochbögen. Sie trug eine Brille mit großen Gläsern und wirkte sachlich. Ihre Kleidung bestand aus einem T-Shirt in Weiß mit irgendeinem nicht erkennbaren Aufdruck, einer leichten Jeansjacke, hellblauen Jeans über weißen Turnschuhen – sehr zweckmäßig das Ganze, sehr angepasst. Ihre Stimme war angenehm dunkel, kein Hauch von Makeup, ein großes, sympathisches Mädchen.
    »Ich denke, ich gehe mit«, erklärte sie. »Einer von uns muss mit. Das wäre Punkt Nummer eins. Punkt Nummer zwei ist, dass wir vielleicht in einem seitlichen Abstand von etwa zwei Metern gehen. Wenn er schießt, muss er die Waffe bewegen, um zu einem zweiten Schuss zu kommen. Einverstanden?«
    Rodenstock nickte und kauerte sich hin. »Es ist besser, wenn wir gleich Abstand voneinander halten. Das macht die Sache für Bastian schwieriger, wenn er schießen will.«
    Sie zog ein Walkie-Talkie aus der Brusttasche ihrer Jeansjacke. Sie sagte: »Chef, wir haben beschlossen, ich gehe mit.«
    »Das ist ja sehr demokratisch«, schimpfte Kischkewitz. »Sind wir schon so weit gekommen, dass Untergebene einfach selbst entscheiden, ob sie Selbstmord begehen wollen?« Er lachte unterdrückt. »Okay, geh mit ihnen, Mädchen. Und Nerven behalten.«
    »Danke«, meinte sie. »Soll ich die Waffe mitnehmen?«
    »Nein«, sagte Rodenstock. »Keine Waffen. Er muss sehen, dass wir keine haben. Jacken ausziehen.«
    Wir standen auf. Vera ging in der Mitte, Rodenstock links, ich rechts von ihr. Wir hatten etwa dreihundert Meter vor uns und kamen von Westen. Die Sonne schien unangenehm grell von rechts, aber als vertrauensbildende Maßnahme war das sicher gut. Falls Bastian ein Fernglas hatte – und er besaß todsicher eines –, konnte er uns blinzeln sehen und jeden Knopf an unseren Hemden erkennen.
    »Wenn er schießt, wird er es ab etwa einhundert Meter Distanz tun«, sagte Rodenstock seltsam heiter. »Wenigstens würde ich es so machen. Er wird nicht das Risiko eines Fehlschusses eingehen. Also, gute Nacht allerseits.«
    Ich wurde etwas langsamer, nahm meinen Tabaksbeutel aus der Tasche und aus der anderen eine Pfeife von Vauen, die Barontini entworfen hatte. Ich stopfte sie und zündete sie gründlich an.
    »Das ist eine gute Idee«, sagte Vera links von mir. Ich konnte den Schweiß auf ihrem Gesicht sehen und ihre Handbewegungen waren fahrig, als sie eine Zigarettenschachtel aus der Tasche zog und sich eine anzündete.
    »Ich habe leider keine Zigarre bei mir«, brummte Rodenstock. »Ausgerechnet heute wollte ich mal gesund leben.«
    »Es ist nie zu spät«, murmelte ich. »Wer fängt denn an?«
    »Lass mich das machen«, antwortete Rodenstock. »Ich bin der Typ gütiger Großvater. Wenn ich stehen bleibe, bleibt ihr auch stehen. Und nicht verkrampfen, bloß nicht verkrampfen. Wir sind jetzt etwa auf zweihundert Meter, wir gehen weiter bis auf die Hälfte der Distanz. Wir brauchen eine Distanz, aus der er einen sicheren Schuss landen kann. Das macht ihn selbstsicher, das gibt ihm mehr Macht.«
    »Gute Idee«, wiederholte Vera. »Nur hoffe ich sehr, dass Bastian das auch honoriert. Ich habe eine Scheißangst um mein junges, blühendes Leben. Und meinen Eltern konnte ich auch nicht auf Wiedersehen im Jenseits zujubeln. Was zum Teufel suche ich bloß in dieser blöden Kommission?«
    »Das wahre Leben, die menschliche Würde und eine nahezu phantastische Kameradschaft«, schlug ich vor.
    Rodenstock lachte und gleichzeitig verringerte er die Geschwindigkeit. Wir passten uns an, wir schlenderten nur noch und schwätzten miteinander, als würden wir uns auf einem gemütlichen Spaziergang befinden.
    »Daran denken«, murmelte Vera, »zur Seite fallen lassen, nicht nach vorn.«
    »Da spricht die Fachfrau«, bemerkte ich. »Rodenstock, lass dich zur Seite fallen, wenn

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