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Eifel-Sturm

Eifel-Sturm

Titel: Eifel-Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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ich erschossen werde. Und richte Emma liebe Grüße aus und sag ihr, ich sei relativ mutig in meinen Untergang geschritten. Oder heißt das gewandelt?«
    »Ich besaufe mich, wenn ich das hier überlebe«, murmelte Vera.
    »Ich schließe mich an«, nickte Rodenstock. »Ich bemerke gerade, dass er von hier aus gesehen am linken Fenster steht. Er hat ein Fernglas vor den Augen, manchmal blitzt das auf. Seht ihr es?«
    »Ja«, bestätigte Vera.
    »Aufpassen jetzt, wir sollten stehen bleiben.« Rodenstock hielt inne. Vera sog nervös an ihrer Zigarette und sah zu mir herüber.
    »Bastian!«, sagte Rodenstock laut. »Mein Name ist Rodenstock und ich könnte dein Großvater sein. Wir wollen dich bitten, mit uns zu reden. Kannst du mich verstehen?«
    Keine Antwort, Totenstille.
    »Wir sind nicht bewaffnet, Bastian. Die junge Frau rechts von mir ist Vera, eine Kriminalbeamtin. Der Mann neben ihr heißt Baumeister und ist ein Journalist. Tust du uns den Gefallen und redest du mit uns?«
    Keine Antwort.
    »Wir haben keine Tricks drauf, wir wollen wirklich nur reden und dann wieder gehen. Niemand wird dir deine Entscheidung abnehmen, niemand wird dich zu irgendetwas zwingen. Kannst du mich verstehen, Bastian?«
    Hoffentlich erwähnt er Annette nicht, dachte ich. Der Pfeifenkopf war unerträglich heiß geworden, weil ich wie ein Baby zu heftig daran nuckelte. Ich beobachtete aus den Augenwinkeln, dass sich Vera neben mir erneut eine Zigarette anzündete. Und ich registrierte, dass sie sich zu ganz langsamen Bewegungen zwang. Es wirkte absurd und komisch.
    »Du kannst mit uns dreien reden. Oder mit einem von uns.«
    Um Gottes willen, Rodenstock, erwähne die Tote nicht!
    »Willst du mit Vera reden, Bastian?«
    Keine Antwort.
    Es war so still, dass wir den sanften Wind in den weit entfernten Bäumen hören konnten.
    Rodenstock spielte dem Mann nichts vor, Rodenstock wurde sauer. »Ich habe angenommen, dass du wenigstens höflich genug bist, zu antworten. Du machst hier einen Narren aus mir und das habe ich nicht verdient. Ich warte, Bastian. Aber ich warte nicht mehr lange.«
    »Und was passiert, wenn du lange genug gewartet hast?« Die Stimme klang voll und nicht im Geringsten unsicher.
    »Dann drehen wir uns um und gehen wieder.«
    »Und dann?«
    »Dann ... na ja, dann wird ein Panzer der Bundeswehr kommen. Ein Räumpanzer, du weißt sicher, was das ist. Er räumt dich und dein Haus weg und es wird so sein, als hätte es das nie gegeben.«
    »Nicht schlecht, die Idee. Ich kann das Haus aber auch selbst abfackeln, ich brauche es sowieso nicht mehr.«
    »Warum denn das?«, fragte Rodenstock verwundert.
    »Ich dachte, der hat einen Sprachfehler«, murmelte ich.
    »Nur noch, wenn er erregt ist«, flüsterte Vera. »Und im Augenblick ist er die Ruhe selbst.«
    »Warum willst du das Haus abfackeln? Und warum brauchst du es nicht mehr?«
    Wieder herrschte eine Weile Schweigen.
    »Das ist eine andere Geschichte«, antwortete er endlich. »Ihr könnt euch das Maul fusselig reden, ich komme hier nicht raus. Und jeder, der reinkommt, ist tot.« Das kam sehr sachlich daher und niemand zweifelte an seinen Worten.
    »Das ist doch Scheiße!«, brüllte ich wütend. »Du bist ein Affenarsch und hast keine Ahnung, wie sehr deine Eltern zittern. Sie sorgen sich um dich, sie haben sich um dich gesorgt, seit du lebst. Und du Arschloch glaubst, du bist der Mittelpunkt der Welt.«
    »Glaube ich nicht«, sagte er ruhig. »Ich bin ziemlich unwichtig, ich bin sogar vollkommen unwichtig, nach mir kräht kein Hahn.«
    »Er will sich umbringen«, hauchte Vera. »O Gott, das können wir nicht zulassen.«
    Rodenstock sah zu mir herüber. »Heiz ihm ein, mach ihn fertig, verschweige nichts. Es hat ohnehin kaum noch Sinn.« Er sprach so lässig, als sei diese Krise gar nicht vorhanden.
    »Also, hör zu«, begann ich. »Da ist eine Menge zu klären. Und ich will, verdammt noch mal, dass du uns wenigstens nicht am ausgestreckten Arm verhungern lässt. Ja, ich kann mir vorstellen, dass du dich als den absoluten Helden siehst, den keiner versteht, mit dem keiner richtig redet und der mutterseelenallein gegen die Welt vorgehen muss. Du bist wirklich ein mieses Arschloch. Wahrscheinlich hast du sogar vor, dich selbst umzubringen. Und wahrscheinlich kommst du dir dabei auch wie ein Held vor. Du machst mich wütend.«
    Er sagte nichts.
    Ich sah durch die Fensterscheibe, dass er sich bewegte. Es machte den Eindruck, als schwanke sein Oberkörper hin und her. Aber das

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