Eifel-Sturm
Bienenhaus, die Tür stand weit offen und Albert Tenhoven ragte wie ein Berg vor mir auf. Ich hatte massive Kopfschmerzen und fühlte mich so erledigt, als hätte ich vierzehn Tage mit einer Viruserkrankung im Bett gelegen.
Tenhoven stand da in der Tür und schaute auf mich herab. »Wieso schleichen Sie nachts auf meinem Grund und Boden rum? Was soll das?«
»Ich bin gar nicht geschlichen, ich bin kein Indianer. Ich habe nur nicht geglaubt, dass Sie einfach verreist sind. Und wenn Sie so etwas wie ein Aspirin oder fünf Aspirin hätten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.«
»Wenn Sie verschwinden und nicht mehr zurückkehren, kriegen Sie eins. Aber nur dann.« Er hatte eine tiefe, sehr gemütliche Stimme.
»Dann will ich keines. Sie könnten mir wenigstens auf die Beine helfen, damit ich gehen kann.«
»Können Sie sich irgendwie ausweisen?«
»Ja, kann ich. Und ich war gegen Abend bei Ihrer Frau, sie wird Ihnen das schon berichtet haben. Verdammt, ich komme allein nicht hoch. Schlagen Sie immer die Leute zusammen, die nachts nach Ihnen suchen?«
Ich musste ihn irgendwie erheitert haben, er lachte. »Ich habe gedacht, Sie sind wer vom Finanzamt.«
Dann bückte er sich, fasste mich in den Achseln und stellte mich auf die Beine. Mir war schwindelig.
»Das muss ich aber erst einmal abklären«, sagte er dann scharf.
»Das können Sie ja«, erwiderte ich lahm.
»Gehen Sie mal vor mir her, den Weg da runter.«
»Okay. Jetzt müssen Sie nur noch sagen: Beim ersten Anzeichen von Flucht schieße ich sofort. In billigen Stoffen sagen die Leute das immer. Wie lange wollten Sie denn verschwunden bleiben?«
»Für Freunde bin ich gar nicht weg gewesen. Und nun gehen Sie schon.«
»Irgendwo muss eine Stablampe rumliegen. An der hänge ich.« Ich überlegte nicht, wie ich ihm entkommen könnte, ich war dankbar, dass er sich meiner so fürsorglich annahm.
»Die habe ich in der Hand. Jetzt aber ab.«
Wir gingen friedlich einen breiten, bequemen Weg zu Tal und sprachen erst einmal nicht mehr miteinander. Ich hoffte, dass das Wichtigste noch nicht gesagt war. Der Weg war kurz – hinunter durch eine kleine Senke, hinauf auf eine Bodenfalte, dann lag sein Hof vor uns.
»Rechts um die Scheune herum«, wies mich Albert an.
Als wir in das helle Licht des Strahlers gerieten, der über der Haustür angebracht war und den ganzen Hof in Helligkeit tauchte, rief seine Frau: »Wieso musst du die Leute immer gleich verprügeln?«
»Hat er gar nicht«, antwortete ich. »Im Gegenteil, er hat mich nur ganz schnell zusammengeschlagen.« Dann drehte ich mich zur Seite, um Albert zu mustern, denn schließlich will man ja wissen, wer einen auf die Bretter geschickt hat.
Er war zwei Köpfe größer als ich, hatte dichtes, graues Haar, das bis auf den Kragen seines dunkelblauen Pullovers fiel. Ein ziemlich wilder Bart bedeckte die untere Gesichtshälfte. Er trug abgetragene Jeans und schwere Arbeitsschuhe. Kurz gesagt: zwei Meter zum Fürchten und ein schwer wiegender Grund, keinen Streit anzufangen.
»Kann ich nicht doch ein Aspirin haben?«, fragte ich demütig.
»Gib ihm ein paar«, sagte er mürrisch. »Was soll ich denn tun, wenn er nachts über unseren Grund und Boden schleicht?«
Die Frau grinste kurz und murmelte: »Du lernst es nie!« Sie ging voraus ins Haus und ein paar Sekunden später hockte ich an demselben Tisch, an dem ich vor kurzem schon mal gesessen hatte.
»Darf ich mal Ihre Papiere sehen?«
»Sicher.« Ich reichte ihm die Ledermappe und Albert machte sich darüber her.
»Sie sind ja aus der Eifel«, stellte er erstaunt fest.
»Das bin ich. Können Sie mir verraten, weshalb Sie sich verstecken?«
»Könnte ich, tue ich aber nicht.«
»Das Gespräch hat einen erstaunlich hohen Level.«
»Das ist nicht mein Problem.« Er zuckte mit den Achseln. »Sie wollen doch nur was über die Leiche Driesch wissen. Und darüber können Sie von mir nichts erfahren.«
»Doch«, widersprach ich. »Das kann ich schon. Sie wissen erstens, wie Driesch war. Und zweitens haben Sie enorm viel Ahnung von Windkraftanlagen. Schöne Grüße übrigens von Wilma Bruns. Im Übrigen haben Sie Recht: Ich hätte hier nicht herumschleichen sollen. Aber Sie hätten sich freiwillig nie gezeigt. Sie mögen ein körperlicher Riese sein, aber meine Backenzähne haben mit meiner Überzeugung verdammt wenig zu tun. Machen Sie mir also nicht vor, Sie hätten keine Ahnung. Vor wem laufen Sie weg?«
»Das geht Sie nichts an.«
Die Frau kam zurück und
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