Eifel-Sturm
stellte mir ein Glas mit stark sprudelndem Wasser auf den Tisch. »Ich koch mal Kaffee«, sagte sie gleichmütig. Und dann, an Albert gewandt: »Er kennt Anna gut.«
»So? Tut er das?«, entgegnete er mürrisch.
»Es ist mein Beruf, ich bin Journalist. Ich will den Mord verstehen. Wenigstens versuchen zu verstehen.«
»Da kann ich nicht helfen«, sagte er.
Ich trank etwas und fühlte mich durch das kühle Wasser ein wenig besser.
»Sie sollten sich das Gesicht waschen«, riet die Frau sanft. »Sie haben etwas geblutet, da muss ein Pflaster drauf. Kommen Sie mal mit.«
Wir liefen einen schmalen Flur entlang, dann eine breite Treppe hinauf. Das Badezimmer war erstaunlich komplett und erstaunlich neu, mit einer riesigen mattblauen Wanne.
»Setzen Sie sich auf den Hocker da«, befahl sie.
Ich betrachtete mich flüchtig im Spiegel und fand, dass sie Recht hatte. Ich sah zum Fürchten aus. An der linken Augenbraue war ein schlimm aussehender Riss, dabei konnte ich mich gar nicht daran erinnern, dass Albert mich dort getroffen hatte.
Sie tupfte mir mit lauwarmem Wasser das Gesicht ab, verstrich sanft etwas Hamamelissalbe und klebte das Pflaster auf.
»Er ist ja gar nicht so«, sagte sie beruhigend. »Er hat es nur zurzeit etwas schwer.«
»Aha«, murmelte ich höflich.
»So, und jetzt können wir einen Kaffee trinken.«
In der Küche hockte Albert am Tisch und rauchte eine mächtige Zigarre. Ich dachte, dass er Rodenstock wahrscheinlich gefallen würde. Und wahrscheinlich war er alles in allem gar kein so übler Zeitgenosse.
»Was hat Ihnen Wilma denn erzählt?«, fragte er.
Ich stopfte mir eine stark gebogene Pfeife von Lorenzo. »Über Sie eigentlich nicht sehr viel. Dass Sie neu hier sind, Ökobauer, Ziegenkäse, Schafskäse, Honig. Dass Sie ein Feind von Windkraftanlagen sind. Ja, und von ein oder zwei Erlebnissen mit Ihnen.« Ich musste ihn darauf hinweisen, dass ich von seiner Affäre mit Wilma wusste. Und er kapierte es augenblicklich, er schloss die Augen und sein Mund wurde ganz schmal.
Die Frau stellte Becher vor uns hin, goss Kaffee ein und setzte sich. Sie zog ein Päckchen Tabak aus der Tasche, drehte sich eine Zigarette, zündete sie an und atmete den Rauch tief ein. Dann sagte sie zu ihrem Mann: »Das kann sowieso nicht so weitergehen.«
Er antwortete nicht, er widerprach ihr nicht.
»Ich könnte ein Gespräch mit einem Mann vermitteln, der etwas abseits arbeitet. Das ist ein sehr guter Freund von mir. Der beste.«
»Was heißt denn hier abseits?«, fragte er aggressiv.
»Abseits heißt, dass er nicht für die Kripo arbeitet, aber Zugang zu allen Informationen über den Fall hat.«
»Was habe ich denn mit Driesch zu tun?«, maulte er.
»Das weiß ich nicht. Aber Sie werden als wichtiger Zeuge gesucht. Das wissen Sie doch ganz genau. Sie sind eine der Zentralfiguren, wenn es um Windkraft in der Eifel geht, also braucht die Kripo Sie. Das Schlüsselwort ist Windkraft.«
»Wieso denn das? Wieso muss die Geschichte mit Windkraft zusammenhängen?«
Ich überlegte einen Augenblick und spielte den Trumpf dann aus. »Passen Sie auf. Jakob Driesch war Ihr politischer Gegner, wenn ich das richtig verstehe. Er wollte Windkraft, und er hat sie durchgesetzt. Vor ein paar Monaten nun ist er für zwei Tage nach Mallorca geflogen und hat für ein spanisches Bauernhaus eine Million Mark in bar auf den Tisch gelegt. Und niemand, nicht einmal seine Frau, hat die geringste Ahnung, woher das Geld stammen könnte.«
Es war, als ginge die Sonne auf. Ein unendlich breites Grinsen zerfurchte Alberts Gesicht und seine dunkelbraunen Augen strahlten wie Weihnachtskerzen. Er flüsterte: »Ich habe es immer geahnt, verdammt, ich habe es immer gewusst. Jeder ist käuflich, einfach jeder!«
»Vielleicht verstehen Sie jetzt, warum ich Ihr Wissen brauche«, setzte ich drauf. »Ich brauche Ihre Hilfe.«
Er stand auf und ging mit schweren Schritten zu einem uralten Küchenschrank, der verdächtig nach Gelsenkirchener Barock aussah. Er holte eine Flasche und Gläser heraus und drehte sich um. »Sie auch einen?
Mensch, darauf gehört einfach ein anständiger Brand!« Er kehrte zum Tisch zurück, goss sich ein, goss seiner Frau ein, goss mir ein und gluckste vor unterdrücktem Lachen. »Für diese Nachricht könnte ich Sie knutschen.«
»Bitte nicht«, sagte ich. »Das letzte Mal ist das schief gegangen.«
Albert begann dröhnend zu lachen. Er schlug sich auf die Schenkel und vor lauter Begeisterung verschluckte er
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