Eifel-Träume
Rücksicht auf mich zu nehmen, ich kann mich ganz gut raushalten.«
»Du kannst hier schlafen. Oben auf dem Dachboden. Ein eigenes kleines Reich, so lange du willst. Ich muss allerdings zwischendurch den Mord an einem kleinen Mädchen recherchieren, der hier in der Nähe geschehen ist. Und dann ist eine alte Freundin zurückgekommen. Und eine andere, sehr alte, Freundin will unbedingt sterben. Nein, du störst nicht, ich denke, du würdest nie stören. Sag mal, du hast doch sicher Hunger, oder?«
Sie blickte mich an und ich dachte: Wahrscheinlich sind es die Augen, die ich nie vergessen habe.
»Ja, eigentlich schon.«
Ihr Handy fiepste erneut und wieder griff sie in die Hose.
»Ja? – Moment, bitte.« Sie verschwand aus dem Raum.
Als sie dieses Mal zurückkehrte, erklärte sie: »Das war ein Freund, der wollte, dass ich morgen zum Grillen komme.«
»Soll ich uns Spiegeleier machen? Spiegeleier kann ich.«
»Das ist gut«, nickte sie.
»Also, lass uns in die Küche gehen.«
Wir zogen um, ich stellte den Herd an, kramte im Eisschrank, suchte, was nötig war, und fühlte mich elend. Ich fand keinen Draht zu ihr, wusste nichts von ihr. Sie war mir schrecklich fremd.
Nun meldete sich mein Telefon, es war Emma.
»Das ist tatsächlich deine Tochter, nicht wahr?«
»Ja, das ist richtig. Ist Kischkewitz inzwischen eingetroffen?«
»Ja, er und Rodenstock hocken auf der Gartenbank und trinken Genever. Kommst du klar?«
»Na ja, es ist zehn Jahre her, da stottert man dauernd. Aber wir beriechen uns und werden uns wahrscheinlich sympathisch finden. Bis später, ich melde mich.«
Ich schlug die Eier in die Pfanne, deckte Brot und Butter auf, holte Geschirr aus dem Schrank. »Das war eine gute Freundin«, sagte ich.
Jetzt machte ihr Handy wieder Lärm und Clarissa stöhnte: »Und wer ist das?« Erneut stand sie auf und ging in den Flur. Als sie wiederkehrte, waren die Eier fertig und ich schaufelte sie auf die Teller.
»Mein Therapeut«, gab sie Auskunft. »Er wollte wissen, wie es mir geht.«
»Entweder ist der Mann fantastisch oder du bist seine einzige Patientin. Es ist gleich acht Uhr abends.«
»Na ja, er ist auch ein guter Freund.«
»Das behaupten alle mittelmäßigen Therapeuten. Aber lass uns essen, falls wir bei all der Bimmelei überhaupt zum Essen kommen.«
»Er war es, der mich zu dir geschickt hat. Er sagt, ich soll mich mit dir auseinander setzen.« Dabei versuchte sie, meinem Blick auszuweichen.
»Heißt das, dass du nicht aus freien Stücken hierher gekommen bist?«
»Das weiß ich nicht.« Sie sah krampfhaft auf den Tisch hinunter.
»Ich bekam vor fünf Jahren einen Brief von dir. Du hast darin geschrieben …«
Es nahm kein Ende, schon wieder gab ihr Telefon Laute von sich.
Ich blieb allein in der Küche hocken, aß meine Eier und wartete.
Sie kehrte zurück und murmelte: »Ein Freund fragte, ob alles in Ordnung ist.«
»Hör zu, Clarissa. Du bist hergekommen. Ich freue mich darüber. Du willst etwas mit mir abklären. So weit, so gut. Aber wenn du hier eine Handy-Show mit deiner Mami und deinen Freunden abziehen willst, dann bitte ohne mich. Ich stehe für so etwas nicht zur Verfügung. Wenn du das Scheißding nicht endlich abstellst, weigere ich mich, weiter mit dir zu reden. Das ist eine reine Frage der Höflichkeit.«
Sie war plötzlich blass, leise sagte sie: »Ich bin deine Tochter.«
»Das ist vollkommen richtig, das steht auch gar nicht zur Debatte. Vor fünf Jahren hast du mir einen Brief geschrieben. Darin stand, dass du keinen Kontakt mehr zu mir willst. Daran habe ich mich gehalten. Falls du deine Meinung geändert hast, können wir die Frage klären, ob es eigentlich stinknormal ist, dass ich so etwas wie Liebe zu dir empfinde. Wo steht geschrieben, dass ich dich lieben muss? Und wo steht geschrieben, dass ich deinen Therapeuten akzeptieren muss, von dem du behauptest, er habe dich zu mir geschickt?«
»Ich … ich …«
»Ich bin so lange nicht bereit, mit dir zu reden, wie du dieses Scheißding in Betrieb hältst. Du hältst dich daran fest wie eine Schiffbrüchige an einem Ast. Stell es ab. Was hast du eigentlich gemacht, als es noch keine Handys gab?«
»Warum redest du so krass?«
Ich antwortete nicht, ich wusste nichts zu sagen.
Sie stand auf und verließ die Küche. Ich hörte, dass sie ihre Tasche hochnahm und die Treppe hinaufging. Es war mir, als würde sie weinen.
Ich warf mich in einen Sessel im Wohnzimmer und rief Emma an. »Das hier gestaltet sich
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